Knava, Irene

Audiencing

Besucherbindung und Stammpublikum für Theater, Oper, Tanz und Orchester

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: facultas.wuv Universitätsverlag, Wien 2009
erschienen in: das Orchester 04/2010 , Seite 68

Zusammengesetzt aus den Worten Audience und Marketing, ist „Audiencing“ eine Wortschöpfung der Autorin – deren Buch sich deutlich von herkömmlichen Fachbüchern im Kulturbereich absetzt. Dies hat vor allem drei Gründe: Die Autorin schreibt erstens spürbar mit Überzeugung von der Sache, mit Herzblut und vor allen Dingen aus eigener praktischer Erfahrung; zweitens wird aus fachlicher Sicht das Rad nicht neu erfunden, sondern der bisherige Kenntnisstand der Fachliteratur absolut lesenswert und praxisnah aufbereitet; und drittens ist dies ein echtes Arbeitsbuch, das von vorne bis hinten durchgearbeitet werden will.
Jedes Kapitel (theaternah als „Akt“ bezeichnet) enthält Hausaufgaben, konkrete Anregungen für Arbeitsschritte, Fragebögen und Checklisten, um mögliche Maßnahmen, Angebote und Ziele für die eigene Einrichtung
herauszuarbeiten und festzuhalten. In den einzelnen „Akten“ gibt Knava Lesetipps zum Vertiefen einzelner Fragen. Am Ende größerer Abschnitte steht jeweils eine stichpunktartige, tabellarische Zusammenfassung, die
das Nachlesen und Nacharbeiten einzelner Aussagen erleichtert.
Worum geht es inhaltlich? Nach einem kurzen Prolog mit einer Gebrauchsanweisung für das Buch nähert sich Knava zunächst den Erwartungen des Publikums und der Motivation, warum Menschen unterschiedlicher Altersgruppen überhaupt ins Theater, in die Oper, ins Konzert gehen. Und genau diese Menschen kommen in kurzen persönlichen Einschätzungen zu Wort, nicht repräsentativ, aber aussagekräftig. Sodann werden Kernaussagen der empirischen Kulturforschung mit Beispielen aus der Praxis unterlegt, z.B. wie und warum sich Besucher in einer Spielstätte wohlfühlen.
Im 2. Akt geht es um kulturelle Prägung und Vermittlung. Hier werden insbesondere die Erstkontakte mit Kulturangeboten über die Familie, Kindergarten, Schule, aber auch über den Freundes- und Bekanntenkreis behandelt. Knava sprüht vor Ideen, den Theater- oder Konzertbesuch für den Erstbesucher zum unvergesslichen, prägenden Erlebnis zu machen und dadurch Lust auf mehr zu wecken. Viele dieser Tipps sind in Extra-Kästen farblich hervorgehoben und laden zum Nachmachen, Variieren, Weiterdenken ein. In kurzen Statements kommen wiederum Praktiker zu Wort, die ihre besten Rezepte präsentieren. Eine wahre Fundgrube!
Der 3. Akt befasst sich mit den Menschen, die auch das Gesicht der Einrichtung prägen: das Kassen-, Einlass-, Garderoben- oder Cateringpersonal. Wie ist es um dessen Servicefreundlichkeit und Identifikation mit dem Betrieb, um das Beschwerdemanagement bestellt? Akt 4 befasst sich mit Marktforschung, Besucherbefragungen und Segmentierung unterschiedlicher Besuchergruppen, also allen Punkten, die zu einem umfassenden Customer Relationship Management (CRM) gehören. Im finalen 5. Akt geht es schließlich um die Kunst der Besucherbindung und den Ausbau des Stammpublikums.
Fazit: Was für ein Buch! Es als verantwortlicher Leiter, als Geschäftsführer, Intendant, Marketingleiter eines Theaters oder Orchesters nicht zu lesen, wäre eine strafbare Unterlassung. Daher: unbedingte Leseempfehlung.
Gerald Mertens