Verdi, Giuseppe
Attila
Außerhalb Italiens wird die 1846 in Venedig herausgekommene Oper Attila des damals 32-jährigen Giuseppe Verdi mit einem Libretto von Temistocle Solera nach einem Stück des Deutschen Zacharias Werner von 1808 viel seltener gespielt als die späteren Meisterwerke. Insofern ist es für Verdi-Verehrer erfreulich, dass die Bulgarische Nationaloper Sofia die vorliegende, 2011 technisch gut live aufgenommene DVD mit dem Werk in drei Akten nach einem Prolog herausbringt und damit eine Alternative zum im Handel befindlichen Mitschnitt des Theaters Parma bietet.
Die damalige Uraufführung im Teatro La Fenice war anders als die früheren Stücke, etwa Nabucco von 1842 zunächst kein großer Erfolg. Manche Chronisten machten dafür eine typische Theaterpanne verantwortlich. Demnach ereignete sich der Vorfall beim Festgelage des Hunnenkönigs zum Waffenstillstand mit dem von Ezio geführten weströmischen Heer im zweiten Akt, in dem sich Attila mit der Aquileianerin Odabella vermählt, die ihn aber aus Rache für ihren Vater im Finale erstechen wird: Im Fenice soll die Kerzenbeleuchtung der Bühne so viel Qualm erzeugt haben, dass dem Publikum große Unannehmlichkeiten entstanden seien. Andererseits wird wie es zu Verdi passt von großer patriotischer Begeisterung im ersten Akt berichtet bei Ezios Ausruf gegenüber Attila: Du magst das Universum haben, doch überlass Italien mir!
Mit seiner eindrucksvollen doppelchörigen Anlage Hunnen und Römer gruppenweise gegeneinander gesetzt ist Attila indes geradezu ideal für raumgebende Freilicht-Aufführungen. In der Arena von Verona wird das Werk gespielt, und die Bulgarische Nationaloper hat die Inszenierung von Plamen Kartaloff unter Leitung von Alessandro Sangiorgi auf der historischen Festung von Tsaverets bei Sofia geboten. Kartaloff und seine Ausstatter Boris Stoynov (Bühne) sowie Lyubomir Yordanov (Kostüme) verzichten auf neue Deutungen im Stil modernen Regietheaters. Die wenig psychologische Charakterisierung der Personen im Libretto mag ihnen dabei Recht geben. Doch die auf mehreren Ebenen bespielbare Bühne mit Treppen sowie als Gemäuer und Torbögen angelegten Kulissen schafft einen passenden Rahmen für die in leicht historisierenden Kostümen die Handlung spielt im fünften nachchristlichen Jahrhundert agierenden
Solisten.
Orlin Anastasov beeindruckt in der Titelpartie mit mächtigem, doch wohltönendem, gut geführtem Bass und ist auch in der Darstellung viril-kraftvoll. Radostina Nikolaeva passt als Partnerin und Gegenspielerin Odabella zu Anastasov, dank des eher mezzohaften Timbres ihres zu packender Dramatik fähigen Soprans. Allerdings sind Phrasierung und Artikulation nicht immer ganz präzis. Der Bariton Ventseslav Anastasov als Ezio und der Tenor Daniel Damyanov als Foresto lassen sich mit ähnlicher Präsenz hören. Der am Mailänder Verdi-Konservatorium ausgebildete, neben Italien in Brasilien, Israel, der Schweiz und Tschechien hervorgetretene Dirigent Alessandro Sangiorgi am Pult des Opernorchesters Sofia hält das musikalische Geschehen sicher zusammen.
Günter Buhles