Franz Liszt
Athanor: Totentanz/Piano Concertos no. 1 and no. 2
Betrice Berrut (Klavier), Czech National Symphony Orchestra, Ltg. Julien Masmondet
Die Schweizer Pianistin Beatrice Berrut ließ bereits im vergangenen Jahr mit einer Liszt-Einspielung aufhorchen, die unter anderem die Dante-Sonate enthielt und einen durchaus eigenen, persönlichen Liszt-Ton zeigte. Nun legt sie die drei großen konzertanten Werke Liszts nach und kann ihr interpretatorisches Profil als eine spieltechnisch eminent sichere Pianistin erneut zeigen, die in den schnellen und drängenden Passagen mit einem schlanken, leichten und hellen Klang, wohldosiertem Pedaleinsatz und großer Brillanz überzeugt. Ohne Vorsicht und Zurückhaltung walten zu lassen, nimmt sie zum Teil ungeheuer rasche Tempi auf, beispielsweise zum Ende jedes der drei Werke hin.
Das Scherzo des ersten Konzerts gelingt ihr mit elfenhafter Leichtigkeit, das Fugato des Totentanzes klingt leggiero und fabelhaft locker, ohne die beißende Schärfe, die andere Interpreten hier zeigen. Dem gegenüber stehen die ruhigen und intimen Passagen der Werke, die Berrut mit innerer Konzentration, schönen Pianowirkungen und viel Rubato gestaltet. Mit berückender Schönheit gerät ihr beispielsweise die vierte Variation des Totentanzes.
Das Orchester unter der Leitung von Julien Masmondet teilt Berruts Herangehensweise, macht seine Sache sehr ordentlich und spielt schlank, filigran und, wenn gefordert, auch klangsinnlich. Leider hat die Aufnahmetechnik das Orchester im Klangbild etwas in den Hintergrund gerückt, sodass gelegentlich das dichte symphonische Gewebe, das Klavier und Orchester eingehen, leidet und manche Orchesterfarben gegenüber dem Klavier unterbelichtet bleiben.
Wer also Liszt gerne mit mehr klanglicher Tiefe, symphonischer Fülle, Breite, Wucht, Leidenschaft und auch Pathos hören möchte, dürfte mit Berruts und Masmondets Darstellung nicht ganz glücklich werden und lieber zu den Versionen anderer großer Liszt-Interpreten von Arrau bis Zimerman greifen. Als bewusst leichtgewichtige und frische Alternative dazu wird die Version Berrut/Masmondet jedoch ihre Liebhaber finden.
Das Booklet enthält einen Text der Pianistin, der den Albumtitel Athanor (der Ofen der Alchimisten und Symbol für die Suche nach Perfektion) als Sinnbild für die jeweils zwei Jahrzehnte währende Entstehungsgeschichte der hier eingespielten Werke erklärt. Gerne hätte man noch Informationen über die Varianten für Bülow und über die Interpreten gelesen.
Als editorische Besonderheit greift Berrut erfreulicherweise im ersten Konzert die späteren Varianten auf, die Liszt eigenhändig in Hans von Bülows Dirigierpartitur des ersten Konzerts eintrug und von denen zwei im Booklet als Faksimile wiedergegeben sind. Diese betreffen die berühmten Oktavpassagen. Als spätere Gedanken Liszts, die in keine Druckausgabe Eingang gefunden haben, gehören diese zum Schaffensprozess hinzu und machen alleine schon dadurch die vorliegende Einspielung zu einem Muss für alle Liszt-Freunde.
Christian Ubber