Bartók, Béla
Assortiment
Das kammermusikalische Assortiment mit Werken von Béla Bartók macht vergriffene Aufnahmen von Attila Kubinyi, Franz Weilnhammer und Hans Fischer wieder zugänglich. Die erste CD des Doppel-Albums widmet sich den Sonaten für Violine und Klavier Nr. 1 Sz 75 (1921) und Nr. 2 Sz 76 (1922). Die eher sperrigen Frühwerke Bartóks machen es den Interpreten nicht leicht: Zwar knüpft die erste Sonate mit ihrer Dreisätzigkeit, dem dreiteiligen Kopfsatz, seinem langsamen Mittelteil und dem furiosen Schlusssatz an die klassisch-romatische Tradition an. Geprägt ist sie jedoch von zerklüfteter Melodik mit großen Intervallsprüngen und motivischen Bezügen zur südosteuropäischen Volksmusik, schwer nachvollziehbaren Rhythmen, stetigen Farbwechseln von grobkantig-barschen Klängen dissonierender Akkordspannungen bis hin zu lyrisch-sanglichen, perlenden Momenten. Die zweite Violinsonate weicht mit ihrer Zweisätzigkeit noch stärker von der westlichen Tradition ab und erscheint im Volksmusikton verstärkt.
Obwohl Attila Kubinyi und Franz Weilnhammer die Komplexität der beiden Sonaten auf höchstem technischen Niveau meistern, würde man sich zum Teil eine noch stärkere Ausgestaltung des Farbenreichtums und der Phrasierungen wünschen. Trotz der starken Eigenständigkeit von Klavier- und Violinpart könnte zudem der dialogische Zusammenhalt der beiden Instrumente noch enger sein. Unabhängig davon gelingt es den Interpreten, dem Werk eine musikalisch überzeugende Einheit zu geben.
Die Werke der zweiten CD sind zum versöhnlicheren Spätstil Bartóks zu zählen. Die Sonate für Violine solo Sz 117 (1944), steht formal Bachs Violinsonate BWV 1005 nahe. Inspiriert durch Menuhins Interpretation dieses Werks, folgt Bartók mit der Viersätzigkeit und der Fuge an zweiter Stelle formal Bachs drei Violinsolosonaten. Obwohl zweifellos hervorragend von Attila Kubinyi gespielt, weicht die große Musikalität seines Vortrags doch auch Momenten reiner Virtuosität; der Vortrag ist gelegentlich ruppiger und hölzerner, als ihn das Werk verdient, die Vielgestaltig des Werks ist nicht immer überzeugend zusammengehalten.
Eine starke musikalische Einheit gelingt den Interpreten in den Kontrasten für Violine, Klarinette und Klavier Sz 111 (1938), in denen es dem Titel gemäß um starke Gegensätzlichkeit geht, daneben aber auch um starke Verbindungen: Beides gilt zuförderst auf Ebene der drei Instrumente mit ihren jeweiligen klanglichen Charakteristika und Ausdrucksmöglichkeiten, zudem wie bei den anderen Werken des Albums bezüglich verschiedenster musikalischer Gesten. Das Trio mit dem Klarinettisten Hans Fischer arbeitet nicht nur die divergierenden Klänge des Werks klar heraus, sondern ebenso das Ineinandergreifen und Verschmelzen in Passagen der Einhelligkeit und des Zusammenklangs.
Insgesamt handelt es sich um ein schönes Assortiment, das mit seinen Aufnahmen von 1976 und 1981 ein Stück Interpretationsgeschichte wiederaufleben lässt.
Astrid Bernicke