Hindemith, Paul

artist & educator

41 pieces for two violins/sonatas for violin solo op. 31 no.1 & no.2

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello COV 61114
erschienen in: das Orchester 10/2012 , Seite 76

Während in den vergangenen 25 Jahren Hindemiths Opern, Sinfonien und Konzerte wie auch das reiche Füllhorn unterschiedlich besetzter Kammermusik auf der Bühne, im Konzertsaal, vor allem aber auf CD unübersehbar an Aufmerksamkeit gewonnen haben, ist es um das vornehmlich pädagogisch inspirierte Schaffen eigenartig ruhig geblieben. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen war bis vor Kurzem nurmehr der geringste Teil seines Schaffens für musikalische Laien in Ausgaben verfügbar, zum anderen war dieses Repertoire (nicht zuletzt auch aus Unkenntnis) in deutlichen Misskredit geraten, und zum Dritten schien das Musizieren derartiger, zwischen leichter Technik und einer nachromantisch abgeklärten Sprache vermittelnder Literatur lange nicht mehr zum “guten Ton” zu gehören. Kein Wunder also, dass eine umfangreiche Komposition wie der Plöner Musiktag (1932) selbst heute noch nur mit erheblichem logistischen Aufwand (gleichsam als Großprojekt) einzuspielen war (Wergo WER 67282). Völlig vergessen sind auch Hindemiths Sing- und Spielmusiken, während manche der für zwei Violinen konzipierten Stücke tatsächlich im Geigen-Schulwerk (1931) von Erich und Elma Doflein “überlebt” haben, nachdem sie bei den Nachauflagen 1940/41 aus politischen Gründen eliminiert und 1951 in nur geringem Umfang wieder aufgenommen worden waren.
Insgesamt handelt es sich bei dem ganzen Bestand um nicht weniger als 41 Stücke, deren Umfang teilweise auf wenige Töne, Akkorde oder Takte begrenzt ist, die aber auch zwei veritable mehrsätzige Duette umfassen. Die Anzahl setzt sich zusammen aus 35 Nummern für das eigentliche Schulwerk, zwei weiteren Nummern, die aus den 14 leichten Stücken für zwei Geigen in der ersten Lage stammen (die anderen wurden wiederabgedruckt), aus zwei ihrem Werkcharakter nach selbstständigen kanonischen Duetten und schließlich zwei Sätzen, die aus den Neun Stücken für zwei Geigen oder zweistimmigen Geigenchor op. 44/1 übernommen wurden (Nr. 5 und 8). Sie alle sind didaktisch auf die drei Bände der Doflein-Schule abgestimmt und offerieren die Möglichkeit, schon im elementaren Bereich mehrstimmiges Musizieren auf einem bemerkenswert hohen kompositorischen Niveau zu üben und zu erleben.
Doch während die ebenfalls von Doflein angeregten 44 Duette von Béla Bartók vermutlich wegen ihrer volksmusikalischen Bezüge nicht ganz vergessen wurden, sind Hindemiths Kleinode erst wieder zu entdecken – im Unterricht, durch neugieriges eigenes Musizieren oder einfach beim Hören. Ida Bieler und Georg Sarkisjan haben sich der Miniaturen jedenfalls mit der gebotenen Hingabe in geradezu idealer Weise – klanglich wie interpretatorisch – angenommen, indem sie jedem auch noch so kurzen Gedanken Raum zur Entfaltung geben (seinen beiden großen Duetten sprach schon Hindemith eine größere Bedeutung zu). Mehr als nur eine Zugabe stellen die beiden hochkarätigen Sonaten op. 31 (1924) für Violine allein dar, für die Ida Bieler mit Präzision und Charme werbend eintritt.
Michael Kube