Eisenberg, Alexandre J.

Arquichorinho

für Klarinette in Es und Klavier, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: das Orchester 06/2016 , Seite 69

In Brasilien hat sich zu ?eginn des 20. Jahrhunderts ein populäres inst­rumentales Genre entwickelt – „choro“ oder „chorinho“ genannt, was so viel wie Schrei oder Klage bedeutet –, das vom virtuosen Ensemblespiel auf der Flöte, Klarinette, der viersaitigen Cavaquinho, einer Mandoline und Streichinstrumenten gekennzeichnet ist. Die lebensfrohe Musik wird von tänzerischen Elementen bestimmt und lebt von der permanenten Sechzehntelbewegung des Soloparts sowie vom synkopierten Rhythmus in den Begleitstimmen.
Arquichorinho ist 1997 als Auftragswerk von dem in Rio de Janeiro ­geborenen Komponisten Alexandre Eisenberg, Jahrgang 1966, für den 2. Nationalen Flötenwettbewerb des brasilianischen Flötistenverbands entstanden. Die originale Fasssung für Flöte und Gitarre hat Eisenberg 2003 für Es-Klarinette und Klavierbegleitung für den Venezolaner Jorge Mon­tilla transkribiert.
Das fünfminütige sehr virtuose Stück basiert zunächst auf dem Choro-Modell, wird dann aber vielfach erweitert durch komplexere Harmonik und das Aufbrechen des geraden Metrums durch verschiedenartige Taktwechsel. Der durchgehende, lebhafte Solo-Part, dem nur die notwendigen kurzen Atempausen zugestanden werden, wechselt ständig die Artikulation von Staccato und Legato. Die Melodie ist sowohl tonal als auch mit Chromatik durchsetzt. Eine exponierte Stelle für die Es-Klarinette ist die Verknüpfung von Staccatospiel mit Flatterzungeneffekt im schneidenden Fortissimo. Die formale Gliederung ergibt sich durch die abschnittsweise wechselnden Begleitmuster mit interessanten harmonischen Farben in erweiterter Tonalität. Kurz vor Schluss wird der Hörer mit Unterarmclustern und einem ironischen musikalischen Zitat aus Gershwins Rhapsody
in Blue überrascht.
Arquichorinho ist eine Herausforderung für einen fingerfertigen Es-Klarinettisten und ein effektvolles (Zugaben-)Stück mit einem ganz speziellen musikalischen Kolorit.
Nicht ganz fehlerfrei ist die deutsche Übersetzung des Vorworts, wo „Taktvorzeichen“ durch „Taktangaben“ zu ersetzen ist und mit der traditionell „fünfstimmigen Form“ nur die „fünfteilige Form“ gemeint sein kann.
Heribert Haase