Werke von Eduard Mirzojan, Tigran Mansurjan, Arno Babajanyan und Aram Khatschaturjan
Armenian Classic
Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn hat es in den fast 54 Jahren, die seit seiner Gründung vergangen sind, von einer liebenswerten Amateurtruppe sukzessive zu einem Ensemble von Weltrang gebracht! Und es ist auch immer wieder für eine Überraschung gut. Obwohl: So groß ist die Überraschung eigentlich gar nicht, wenn ein armenischer Orchesterleiter wie Ruben Gazarian auf einem Tonträger auch einmal ein rein armenisches Programm zusammenstellt.
back to the roots lautet denn auch folgerichtig der Untertitel seiner Kompilation armenischer Klassik, und angesprochen sind damit die eigenen musikalischen Triebkräfte, die ihn von Eriwan über Moskau nach Heilbronn spülten.
Klassisch im eigentlichen Sinne ist Eduard Mirzojans 1962 entstandene Sinfonie für Streicher und Pauke nur der viersätzigen Formstruktur nach, während die Ausgestaltung der einzelnen Sätze ihre durchaus eigenen, ungewöhnlichen Wege geht. Ein überwiegend grüblerisches Werk von faszinierender Düsternis, an der auch gelegentliche temperamentvolle, der armenischen Folklore entlehnte Einschübe nicht wirklich etwas ändern. Dieses tatsächlich bedeutende (und daher viel zu selten zu hörende) Werk gilt heute als der Beginn der armenischen Moderne, die so völlig anders klingt als ihre westlichen Spielarten.
Den zweiten Platz auf der CD nimmt Tigran Mansurjans stellenweise an Alfred Schnittke gemahnende Fantasie für Klavier und Streichorchester aus dem Jahr 2003 ein, ein geheimnisumwittertes Werk, das sich durch raffinierte Instrumentationstechniken auszeichnet und das sich ebenfalls einen ständigen Platz im Repertoire eines jeden Sinfonieorchesters verdient hätte.
Die restlichen Positionen auf der CD beanspruchen Solostücke für Klavier. Arno Babajanyans (auch: Babadjanian) 1978 entstandene, einen geradezu spätromantischen Duft verströmende Elegie (hört man hier Rachmaninow?) ist ein Epitaph auf den im selben Jahr verstorbenen und bis heute bedeutendsten armenischen Komponisten Aram Khatschaturjan. Das Poème aus dem Jahr 1966 ist von gänzlich anderer Faktur und zeichnet sich nach einer eher verhaltenen Einleitung durch eine ungeheure Virtuosität aus, die dem Solisten alles abverlangt.
Obwohl die CD den Hörer auch bis hier schon mitreißt, kommt das eigentliche Filetstück erst ganz am Schluss. Und das nicht etwa, weil es sich um den hinlänglich bekannten Säbeltanz Aram Khatschaturjans handelt, das weltweit berühmteste Stück armenischer Klassik. Es ist des Pianisten eigene, geradezu wahnwitzige Bearbeitung dieses Tanzes für Klavier: Vardan Mamikonian lässt hier die Funken stieben, dass es nur so eine Lust ist! Das sind brilliante zweieinhalb Minuten, mit denen als Zugabe künftig jeder Pianist von Bedeutung seinem Programm zusätzliche Glanzlichter aufsetzen kann!
Friedemann Kluge