Jost Thöne/Jonas Thöne/Claudius Thöne (Hg.)

Antonius Stradivarius

Cello c. 1690 „Barjansky“

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Jost Thöne
erschienen in: das Orchester 12/2021 , Seite 69

Mit seiner acht Bände umfassenden Gesamtdarstellung sämtlicher Streichinstrumente Antonio Stradivaris hat der Jost-Thöne-Verlag vor einigen Jahren die Messlatte für die Qualität neuer Publikationen zum Geigenbau hoch gelegt. Die jüngste, monografische Veröffentlichung knüpft an diese Dokumentation an, geht nun aber in die Tiefe, indem sie sich aus allen denkbaren historischen und instrumentenbaulichen Perspektiven einem einzigen Instrument Stradivaris widmet, nämlich dem um 1690 gebauten „Barjansky“-Violoncello.
Hierfür hat die Alago Family Foundation, die seit 2019 im Besitz des Cellos ist, wissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag gegeben, deren Breite und Qualität alles in den Schatten stellt, was bislang der Erforschung eines einzigen Instruments diente. So außergewöhnlich dieses Vorhaben in seiner Gänze ist, so einzigartig ist auch die prachtvolle und bildgewaltige Präsentation der Ergebnisse in englischer Sprache. Primär historisch orientierte Aufsätze befassen sich mit der Frage, welche Rolle Stradivari generell innerhalb der Entwicklungsgeschichte des Violoncellos zukommt, geben Einblicke in den Kreis seiner Kunden oder rekonstruieren die wandelnden Besitzverhältnisse des „Barjansky“ von seiner Entstehung bis zur Gegenwart.
Weitere Beiträge widmen sich dem Instrument aus Sicht des Geigenbaus. Besonders instruktiv sind die durch zahlreiche Abbildungen, Grafiken und Vergleiche mit dem 1690 gebauten „Mediceo“-Cello unterfütterten Ausführungen zu den von unbekannter Hand vorgenommenen Veränderungen, die zu einer Verkleinerung des „Barjansky“ führten. Ein umfassender Bericht über die „Barjansky“-Restaurierung ermöglicht zudem nie gesehene Einblicke in das Innenleben des Instruments.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen wiederum erfassen – etwa durch 3-D-Computertomografie und digitale Vermessung – feinste bauliche Details, geben durch Ultraviolett- und Infrarot-Fluoreszenzfotografie Aufschluss über die Lackierung und deren Veränderung oder grenzen mittels dendrochronologischer Verfahren die Herkunft der verwendeten Holzsorten ein. Darüber hinaus werden aber auch Aspekte wie die nicht streng symmetrische, sondern gleichsam „biologische“ Instrumentenform oder die Frage nach der klanglichen Auswirkung moderner Besaitung diskutiert.
Vom qualitativ hochwertigen Papier bis hin zu den in Fülle vorhandenen Fotografien, die das Instrument und dessen Bestandteile aus allen erdenklichen Blickwinkeln zeigen, erweist sich dieser Band als extrem sinnliche Angelegenheit. Dass es sich dabei um kein abgeschlossenes Projekt, sondern um ein weiterhin offenes Feld handelt, lässt sich dem Hinweis ent-nehmen, dass in Zukunft neue Erkenntnisse zum „Barjansky“ auf der Verlagswebsite ergänzt werden sollen, wo bereits heute in einem für Käufer zugänglichen Bereich hochaufgelöste 3-D-Visualisierungen des Cellos abgespeichert sind.