Andrea Harrandt, Thomas Leibnitz (Hg.)
Anton Bruckner
Der fromme Revolutionär
Es ist so weit. Nun feiert die Musikwelt Anton Bruckners 200. Geburtstag und die Österreichische Nationalbibliothek zeigt in ihrem Prunksaal bis zum 26. Januar 2025 eine Auswahl aus ihrer einzigartigen Nachlass-Sammlung. Sie zeigt sowohl den Menschen und Komponisten, seine „facettenreiche Persönlichkeit im Spannungsfeld gegensätzlicher sozialer Lebensfelder und als musikalischen Neuerer von großer Kühnheit“, als auch seine symphonischen Hauptwerke, verbunden mit seinen biografischen Stationen.
Die beiden Herausgeber Andrea Harrandt und Thomas Leibnitz zeichneten für den neuen, ausstellungsbegleitenden Prachtband verantwortlich, der den vielsagenden Titel Anton Bruckner. Der fromme Revolutionär trägt. Darin schreiben 15 bekannte und zum Teil hochkarätige Autoren aus Österreich, Deutschland, Kanada und den USA: wie beispielsweise die langjährige Bruckner-Expertin Elisabeth Maier, die über „Fragmente über Bruckners Persönlichkeit“ referiert, die renommierten Musikforscher Paul Hawkshaw aus Toronto, der sich als Herausgeber der Bruckner-Gesamtausgabe einen Namen machte und über „Bruckners Revisieren“ einen Beitrag verfasste, Hans-Joachim Hinrichsen, der über Bruckners „Innovation in dessen Komponieren“ nachdachte, oder Otto Biba, der Bruckners „berufliche Karriere“ im Blick hat. Weitere Beiträge widmen sich seiner „Prägung durch die Volksmusik“ (Andreas Lindner), der „frommen Lebensart in Österreich“ (Johannes Leopold Mayer) oder haben „Bruckner, Wagner und die Wagnerianer“ (Andrea Harrandt) zum Thema.
Das Einzigartige dieser Festschrift ist nun nicht nur der geschriebene, kenntnisreiche und wissenschaftlich fundierte Inhalt, sondern der Band lebt von den vielen bekannten, vor allem unbekannten Abbildungen und Fotografien von Bruckner selbst, von seinen Briefen und Notizen, von seiner Familie und von seinen Freundinnen, seinen Weggenossen, Freunden, Gönnern, Kollegen und Schülern, ferner finden sich Konzertankündigungen, Stadtansichten und zahlreiche faksimilierte Abbildungen seiner Symphonien und Kirchenwerke. Weniger bekannt, aber witzig ist die dem Struwwelpeter nachempfundene Karikatur von Otto Böhler, mit Bruckner und seinen „Gefolgsleuten Eduard Hanslick, Max Kahlbeck und Richard Heuberger“. Weitere aus heutiger Sicht humorige oder auch Kopfschütteln erzeugende Kritiken („Wenn es in seiner Wohnung so aussähe wie in seiner Symphonie, dann hielte es wohlgeartete Hausfrau nicht vier Tage lang dort aus …“) sind im Beitrag von Thomas Leibnitz mit dem Titel „Herr Bruckner mordet Vater und Mutter“ zu entdecken.
Kurz, ein lesenswerter und liebevoll aufgemachter Bildband, der vielfältigste Erkenntnisse bietet.
Werner Bodendorff