Theodorakis, Mikis

Andalucía

Seven Songs for Alto (or Bass/Baritone) and Symphony Orchestra, Text by Federico García Lorca, Greek Translation by Odysseus Elytis, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: das Orchester 10/2012 , Seite 67

Aktuell werden Griechenland und Spanien oft in einem Atemzug genannt – bezogen auf die Euro-Krise. Künstlerische und historische Bezüge zwischen beiden Ländern verkörpert hingegen Theodorakis’ bekannter Liederzyklus auf García Lorcas Primer romancero gitano. In dieser vielgelesenen Romanzen-Sammlung knüpft der Dichter an traditionelle Motive an, um sie durch Brechungen der Moderne zu öffnen, dabei politische und personalisierte Aspekte mit einbeziehend, den Tod stets vor Augen. Beide Künstler wurden in ihren Ländern verfolgt, García Lorca 1936 von einer Falange-Milizgruppe erschossen, Theodorakis 1967 inhaftiert und danach ins Exil getrieben.
Die erste Fassung der aus sieben Liedern bestehenden Sammlung erschien 1967 für Singstimme und Gitarre. Wiederholt brachte der Komponist weitere Fassungen hiervon heraus, u.a. 1995 als Rhapsodie für Gitarre und Orchester. Für das griechische Volkslied, dessen wichtigster Erneuerer Theodorakis ist, gilt kein enger Werkbegriff im Sinn einer einzig gültigen formalen und klanglichen Gestaltung. Antonio Torres Heredia I und II, Verhaftung und gewaltsamen Tod thematisierend, gehören zum Kernbestand seiner Lieder. Der gebürtige Chiote hat sie in vielen Konzerten in den verschiedensten Besetzungen aufgeführt, vornehmlich mit “seiner” Interpretin Maria Farantouri. Mit Andalucía erhebt Theodorakis diesen Zyklus in den Rang von konzertanten Orchesterliedern.
Die Orchesterbesetzung ist relativ klein gehalten, die Instrumentierung ist licht und dabei farbenreich, sie gibt der Gesangsstimme den nötigen Raum. Fast durchgängig vorhanden ist die für Theodorakis typische Colla-Parte-Technik, viele Begleitfiguren in den Holzbläsern und Violinen verweisen auf die Gitarre als dem ursprünglichen Begleit- bzw. späteren Soloinstrument.
Das Schriftbild der Partitur ist recht klein gehalten, dabei aber gut lesbar. Als einzige Sprache ist die griechische in den Noten vermerkt, sowohl in griechischer Schrift als auch in lateinischer Umschrift, der Vertonung entsprechend. Es wäre wünschenswert gewesen, im Anhang die Texte in anderen Sprachen wiederzugeben, zumindest im spanischen Original; hierzu muss auf andere Ausgaben zurückgegriffen werden. Textkritische Anmerkungen fehlen, diese Ausgabe ist allein auf Aufführungen ausgerichtet. Die Ausführung ist nicht sehr schwierig, freilich bedürfen einige der Figuren eingehender Übung; der Orchesterpart ist auch von fortgeschrittenen nicht-professionellen Orchestern zu bewältigen. Das bedeutet nicht, dass professionelle Chöre diese Partitur zur Seite legen sollten. Theodorakis’ Musik gehört aufgeführt, und dies geschieht zu selten. Seine García Lorca-Lieder sind einfach und populär im besten Sinn, dabei nicht banal oder anbiedernd. Griechenland und Spanien haben mehr zu geben als pejorative Schlagzeilen.
Christian Kuntze-Krakau