Bassano, Giovanni

Amor Sacro – Amor Profano

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello COV 21108
erschienen in: das Orchester 04/2012 , Seite 72

Wer an Stuttgart denkt, dem kommt derzeit zuallererst ein viel diskutierter Bahnhofsneubau in den Sinn. Wie unerfreulich! Viel erfreulicher ist doch, dass Stuttgart in musikalischer Hinsicht viel zu bieten hat. Darauf aufmerksam macht die neue CD des 2005 entstandenen Capricornus Ensembles Stuttgart: Amor Sacro – Amor Profano.
Die Leitung dieses Ensembles hat der Posaunist und Professor der Stuttgarter Musikhochschule Henning Wiegräbe, welcher sich nicht nur dem Unterrichten von Studenten und dem Konzertieren verpflichtet fühlt: Er sieht seinen Auftrag außerdem in der Erforschung und Wiederentdeckung von Musik abseits der bekannten Pfade. Wiegräbe hat für diese CD Musiker der Spitzenklasse zusammengeführt, um mit ihnen selten gehörte Schätze wie geistliche Konzerte und Fantasien von Giovanni Bassano (ca. 1558-1617) sowie seine Diminutionen über Werke von Luca Marenzio, Giovanni Pierluigi Palestrina, Cipriano de Rore und Alessandro Striggio aufzunehmen.
Bassano, der einer alten, ursprünglich in Bassano del Grappa nordwestlich von Venedig beheimateten Bläserdynastie entstammt und dessen Schaffen eine Schlüsselstellung in der Instrumentalmusik am Markusdom in Venedig einnimmt, veröffentlichte 1585 ein Lehrwerk über die Kunst des Diminuierens sowie u.a. eine gedruckte Sammlung verschiedener ­Motetten, Madrigale und Canzoni italienischer Meister, die von ihm selbst diminuiert worden sind. Aus dieser Veröffentlichung entstammt gut die Hälfte der Aufnahmen dieser CD.
Neben dem Ausnahmeposaunisten Henning Wiegräbe, der in vielen Stücken mit einem wunderschönen Klang, einer lupenreinen Intonation und Stilsicherheit auf der Barockposaune glänzt, gebührt Erwähnung vor allem dem fantastischen Zinkspiel von Gebhard David und Bork-Frith­jof Smith, die ihre Instrumente mit unglaublicher Leichtigkeit durch die Stimmen führen, selbst bei schwersten Partien niemals angestrengt klingen und sich gut in das klangliche Gesamtbild mit den drei weiteren Posaunisten einfügen (Eckart Wiegräbe, Michael Hufnagel und Joseph Bastian).
Die Sopranistin Monika Mauch ist das ganz besondere Highlight der CD: Sie verleiht allem mit ihrer unaufdringlichen, zugleich aber wunderschönen Stimmfärbung noch das gewisse „Sahnehäubchen“ und weiß sich gekonnt in die Mischung aus Zinken, Posaunen, Laute (Matthias Spaeter) und Orgel (Johannes Strobl) einzubringen.
Das Textheft in Deutsch und Englisch enthält neben Wissenswertem zur Instrumentalmusik und Instrumentationspraktiken im 16. Jahrhundert auch Informationen zu Leben und Werk Giovanni Bassanos. Außerdem findet der interessierte Musikliebhaber alle Liedtexte in deutscher und englischer Übersetzung sowie einen kurzen Abriss der Lebensläufe aller Mitwirkenden.
Mein Fazit: Ein gewagter, aber sehr gelungener Auftakt für die erste CD des Capricornus Ensembles Stuttgart, der hoffentlich noch viele weitere folgen werden.
Kristin Thielemann