John Adams

American Berserk

Liviu Neagu-Gruber (Violine), Axel Heß (Violine), Jens Brockmann (Viola), Michael Hablitzel (Violoncello), Majella Stockhausen (Klavier), Holger Groschopp (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: SACD
erschienen in: das Orchester 05/2018 , Seite 75

Manche großformatigen Werke des mittlerweile 71-jährigen US-Amerikaners John Adams haben auch internationales Echo gefunden, darunter seine politisch inspirierten Opern Nixon in China (1987) oder Doctor Atomic (2005), aber auch Orchesterwerke wie die Harmonielehre von 1985 oder das Violinkonzert von 1993. Die Klavier- und Kammermusik von Adams – im Umfang überschaubar – ist dagegen in europäischen Konzertsälen nur vereinzelt anzutreffen. Die vorliegende CD bietet eine durchdachte Auswahl, die manchen Hörer auf den Adams-Geschmack bringen könnte.
Adams gesteht selbst, dass seine Musik „sehr amerikanisch“ sei: „In der mitteleuropäischen Tradition geht es mehr um Gefühl und Ausdruck. […] Aber bei mir muss der Groove stimmen und perfekt auf dem Punkt landen.“ Alle Werke der CD bestätigen diese Selbstdiagnose, vielleicht noch am stärksten der erste, für Streichquartett mit CD-Zuspielung geschriebene Zyklus John’s Book of Alleged Dances. Diese zehn „vermeintlichen“ Tänze aus dem Jahr 1994 entfalten ein großes Spektrum an fantasievoller Rhythmik, das nur gelegentlich konventionelle Berührungspunkte wie „Pavane“ oder „Habanera“ aufweist. Das von Adams selbst am präparierten Klavier vorbereitete, letztlich schlagzeugartig wirkende Zuspielband engt die Elastizität des Streich­quartettklangs naturgemäß stark ein, sodass im Bemühen um Koordination eine gewisse dynamische Gleichförmigkeit und manche Schärfen offenbar unvermeidlich sind.
Wunderbar federnd kommen demgegenüber die ein Jahr später entstandenen Road Movies daher, in denen der Geiger Liviu Neagu-Gruber und der Berliner Pianist Holger Groschopp im „Relaxed Groove“ oder im „40% Swing“ ihre hohe instrumentale und rhythmische Virtuosität unter Beweis stellen.
Groschopp – er schrieb auch den informationsreichen Booklet-Text – bietet zudem zwei sehr unterschiedliche Werke für Klavier solo: die 1977 noch eindeutig minimalistisch konzipierten China Gates („Gates“ als Chiffre für die palindromatisch angeordneten Segmente des etwa vierminütigen Stücks) mit einfühlsamer Piano- und Pianissimo-Kontrolle sowie den 2002 von Garrick Ohlsson uraufgeführten, toccatenartigen American Berserk mit ausdauernder, mitunter auch unter das vom Komponisten (etwas zu häufig) verlangte Forte und Fortissimo klug heruntergeregelter Akkordtechnik.
In der 16-minütigen, nach einer eher harmlosen Highway-Kreuzung zwischen Kalifornien und Nevada benannten Hallelujah Junction für zwei Klaviere von 1998 wird sowohl der religiöse wie sprachrhythmische Begriff des „Halleluja“ als auch die komplexe klanglich-rhythmische Verzahnung beider Instrumente abwechslungsreich thematisiert. Majella Stockhausen und Holger Groschopp erweisen sich als hervorragend aufeinander abgestimmtes Klavierduo. Rainer Klaas