Wersin, Michael
Am Anfang war der Dreiklang
Eine Harmonielehre mit Hörbeispielen, mit CD
Harmonielehren gibt es viele eine Tatsache, die Michael Wersin bewusst ist. Schon im Vorwort präsentiert er deswegen das Konzept seines Buchs Am Anfang war der Dreiklang, das sich eher als Lesebuch denn als typische Harmonielehre mit Übungen für die erklärten harmonischen Phänomene versteht.
Nach einer kurzen Einführung in die Dreiklangsstruktur, die schon durch philosophische Betrachtungen zu Klang und akustischem Empfinden verschiedener Dreiklänge angereichert wird, werden diverse Werke aus verschiedenen Epochen der klassischen Musik analysiert. Anhand der auftauchenden Akkorde werden harmonische Konzepte wie Dreiklangsumkehrungen, weite/enge Lage und die Analyse eines Akkords erklärt.
Wersins Sprache ist komplex und sehr bildhaft, was manchen harmonischen Gesetzen mehr Dramatik verleiht, als nötig wäre. Um die Erklärungen zu verstehen, bedarf es auf jeden Fall solider musikalischer Vorkenntnisse. Der unbedarfte Laie mit rudimentärem Verständnis dürfte angesichts der leicht verschwurbelten Erklärungen schnell verwirrt sein. Anhand von Literaturbeispielen von Johann Hermann Schein, Praetorius, Schumann, Wagner und anderen Komponisten erklärt Wersin unter anderem den Quartvorhalt, den Quartsextakkord, diverse Kadenzen, verliert sich aber oft in einer eher esoterisch wirkenden Analyse des jeweiligen Stücks, anstatt deutlich zu erklären, welche harmonischen Gesetze der Komposition zugrunde liegen. Anhand des Impressionisten Debussy werden auch Ganztonleiter und pentatonische Skalen gestreift.
Im Nebel der blumigen Sprache des Autors verschwimmt das Ziel der Harmonielehre zusehends: Soll es ein Lesebuch für den ambitionierten Harmoniker sein oder doch eher bestimmte harmonische Phänomene anhand von Kompositionen verschiedener Epochen demonstrieren? Selbst für den harmonisch bewanderten Musiker ist es manchmal schwer zu verstehen, um was es bei den Erklärungen eigentlich geht harmonisches Verständnis oder eher philosophische Interpretation eines Musikstücks?
Am Ende lässt Wersins Buch den Leser etwas ratlos zurück. Für den Laien zu komplex und den Harmonielehre-Kenner zu philosophisch ist es eher ein zeitweise unterhaltsames Lesebuch mit eingeschobenen harmonischen Analysen. Die genaue Intention des Buchs bleibt mir als Musiker aber unklar. Für eine Harmonielehre ist der Aufbau des Buchs nicht klar strukturiert genug und für ein Lesebuch zur harmonischen Vielfalt von Musikstücken zu analytisch, was das Lesen des Werks eher anstrengend macht.
Martin Schmidt