Richard Strauss

Also sprach Zarathustra/ Burleske

Daniil Trifonov (Klavier), Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Mariss Jansons

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 68

Jede Aufnahme mit Mariss Jansons, die jetzt neu erscheint, ist von einer Aura des Ewigen umgeben. Der große lettische Dirigent, nein Weltbürger, ist im Dezember 2019 gestorben. Nicht nur die Musiker vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die hier mit ihm Werke von Richard Strauss musizieren, trauern ihm nach. Die ganze klassische Musikwelt vermisst den Musiker wie auch den Menschen Mariss Jansons, der wie kaum ein anderer kompromisslosen Einsatz für die Musik bis hin zur Selbstaufgabe mit Bescheidenheit und Achtung vor den Menschen zu verbinden wusste.
„Die Welt mit Klang umarmen: Der aufrichtigste, integerste, empathischste Dirigent der Welt ist tot“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Seine Vita in Kürze: 1943 als Sohn eines Dirigenten und einer Sängerin in Riga geboren, Studium in Leningrad, Schützling von Karajan, Assistent von Mrawinsky in Leningrad, Chefdirigent in Oslo von 1979 bis 2000, in Pittsburgh von 1997 bis 2004, beim Bayerischen Rundfunk ab 2003 und von 2004 bis 2015 beim Concertgebouworkest Amsterdam. Jansons war ein Ausdrucksmusiker, der höchste Emotionalität mit maximaler Präzision und Akribie zu verbinden wusste. Damit war er prädestiniert für das Werk Gustav Mahlers und Dimtri Schostakowitschs, aber auch mit Richard Strauss – in dessen Heimatstadt München natürlich Pflicht – hat sich Jansons intensiv beschäftigt. Don Juan, Ein Heldenleben, die Alpensinfonie, Tod und Verklärung, Till Eulenspiegel, die Vier Letzten Lieder und die Rosenkavalier- Suite hat er mit den BRSymphonikern eingespielt. Nun folgen in einer Live-Aufnahme von 2017. Also sprach Zarathustra und die Burleske für Klavier und Orchester, eines der wenigen Klavierwerke von Strauss, mit dem großartigen Daniil Trifonov. Beide Werke gestaltet Jansons aus dem Geist des Till Eulenspiegel heraus, als Zeugnis des zu Schalk aufgelegten, hochbegabten Jungmeisters Strauss, der fröhlich auf die romantische Tradition pfeift und virtuos mit ihren Bestandteilen jongliert, nachdem er diese genüsslich mit dem Skalpell seziert hat. Gerade die teuflisch schwere Burleske kann leicht zu behäbig, zu staatstragend werden. Diese Gefahr besteht bei Jansons und Trifonov aber zu keinem Zeitpunkt – vielmehr schälen sie in lichter Heiterkeit prophetisch auch schon den späteren Strauss heraus. Die Tondichtung Also sprach Zarathustra erntete nach ihrer Uraufführung viel Spott und unter anderem den Hinweis, Strauss hätte genauso gut auch Kants Kritik der reinen Vernunft vertonen können. Doch der Komponist ließ sich nicht beirren und beschrieb einmal mehr die Selbstfindung eines Helden, der weder in der Religion noch in der Wissenschaft und in der Lustbarkeit seine Erfüllung findet. Das Ende bleibt nachdenklich und offen. Zarathustra entschwindet, eine Antwort gibt es nicht. Jansons und das BR-Symphonieorchesterzeichnen diesen Weg durchsichtig mit großer Liebe zum Detail, zu technischer Perfektion, atmosphärischer Dichte und klanglichen Extremen nach. Eine grandiose Einspielung.
Johannes Killyen