Ralf Günther

Als Bach nach Dresden kam

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Kindler/ Rowohlt
erschienen in: das Orchester 03/2019 , Seite 59

Es können keine schlechten Zeiten sein, in denen Bücher wie dieses geschrieben, verlegt, verkauft und gelesen werden. Die hübsche und unter Kennern und Liebhabern weithin bekannte Geschichte vom verhinderten Klavierduell zwischen Bach und dem französischen Komponisten Louis Marchant in Dresden 1717 steht im Zentrum der hier auf 140 Seiten ausgebreiteten Novelle.
Der Autor hat erkennbar Vergnügen an der lediglich von der „Bach-Partei“ überlieferten Begebenheit, die schon immer etwas Legendenhaftes an sich hatte. Dementsprechend mag es legitim sein, das Ganze weiter auszuspinnen, etwa mit einer kleinen verschämten Liebesgeschichte anzureichern, hier und da auch satte barocke Erotik mit einzuflechten und bei der Schilderung der imaginierten Ereignisse auf ein ausgewogenes Verhältnis von verbindenden Erzählteilen und wörtlicher Rede zu achten. Das Ganze liest sich süffig; es dauert keine zwei Stunden, bis man am Ende des Buchs angelangt ist.
Die Wissenschaft nimmt solche Publikationen von jeher nur am Rande zur Kenntnis. Ganz beiseitelassen kann sie sie nicht, da das Bild des Künstlers, der „großen Komponisten“ immer noch maßgeblich durch die Monumentaldarstellungen der Musikerbiografik des 19. Jahrhunderts oder andererseits durch stark aktualisierende Adaptionen von großer suggestiver Kraft wie etwa Miloš Formans Amadeus-Film von 1984 geprägt ist. Beide Arten der Darstellung schreiben, wie Ulrich Konrad es einmal formulierte, mehr schlecht als recht Klischees fort.
Ralf Günthers Geschichte reiht sich ein in die Phalanx der eher romantisierenden Künstlerbiografie, die der Rezensent eigentlich im Aussterben begriffen wähnte. Aber einerlei: Angesichts dessen, was sonst so alles dem Druck anvertraut wird, ist man positiv überrascht, auf ein so geschmackvoll aufgemachtes, ja ausgesprochen schönes Büchlein zu stoßen. Es wird seine Käufer finden.
Ulrich Bartels