Dohr, Christoph (Hg.)

Almanach für Musik I (2011)

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Dohr, Köln 2011
erschienen in: das Orchester 03/2012 , Seite 69

Mit diesem neuen Almanach möchte Christoph Dohr als Verleger und Herausgeber „an eine in das 19. Jahrhundert zurückreichende musikverlegerische Tradition anknüpfen“, um „Publikationsplattformen für wissenschaftliche Fachaufsätze zu schaffen und damit Forschung und Wissenschaft auch außerhalb von monographischen Studien und Kongressberichten zu befördern“. Als Vorbild verweist er auf das Jahrbuch Peters und unterstreicht die gedruckte Form der Veröffentlichung „als Akzent gegen das online-Publizieren mit all seiner virtuellen Flüchtigkeit und seinen Schwierigkeiten einer gesicherten Rezeption“.
Die dreizehn Aufsätze, unterschiedlich in der Länge, der Sprachform und der Methode, adäquat zu besprechen, ist kaum möglich. Es muss genügen, kurz darüber zu informieren. Sie spannen einen zeitlichen Rahmen vom 18. bis ins 21. Jahrhundert und gehen entsprechend ihrem Gegenstand von analytischen, gattungsgeschichtlichen, biografischen und musikalisch-mathematischen Ansätzen aus. Dass sie sich, jeder auf seine Art interessant und seriös konzipiert, nicht alle auf gleichem Niveau bewegen, versteht sich von selbst. Wegen der angesprochenen notwendigen Kürze wäre es jedoch unfair, den einen oder anderen Beitrag besonders hervorzuheben.
Kirsten Beißwenger bespricht sorgfältig und kritisch das Motiv des Wanderns in Schumanns Liedern. Wolfgang Birtel erstellt ein Werkverzeichnis der 15 Streichquartette Volker David Kirchners mit ausführlichen Kommentaren. Klaus Martin Kopitz formuliert auf 43 Seiten ein Plädoyer für eine vollständige und – soweit möglich – korrekte Sammlung aller zeitgenössischen Aussagen über Joseph Haydn mit 27 ausführlichen und teils noch nicht bekannten Beispielen. Rainer Mohrs bietet eine ausführliche Analyse der fünf Streichquartette von Hermann Schroeder. Peter Hawig erläutert den Kontext zweier unveröffentlichter Briefe von Karl Kraus an den Intendanten der Kölner Oper. Michael Leinert entwickelt eine kurze, hellsichtige „psychoanalytische“ Deutung einiger Passagen aus Puccinis Madame Butterfly. Volker Müller spricht über Schumanns Jugendlieben und seine Verbindungen zu Bad Elster. Ernst Jürgen Dreyer entwirft ein
im Detail interessantes Porträt des Komponisten Norbert Burgmüller. Lars Wallerang sammelt auf vier Seiten einige „Biographische Streiflichter“ zu Jörg Baur. Auch Stefan Weiss akzentuiert Biografisches als „Wege und Irrwege des Schreker-Schülers Antin Rudnytsky“. Gerald Golka, Informatiker und Musikwissenschaftler, präsentiert eine innovative Computeranalyse Wagner’scher Motive mit „neuronalen Netzen“. Sabine Sonntag liefert lesenswerte Anmerkungen zu „Phantomopern“ in Filmen, einem weithin unbekannten Thema. Und Hans-Joachim Wagner schreibt über Joseph Beuys und Kompositionen, die auf ihn Bezug nehmen.
Ein Personenverzeichnis rundet diesen ersten Almanach-Band ab, auf dessen Fortsetzungen man gespannt sein kann.
Peter Schnaus