Christoph Reuter
Alle sind musikalisch – außer manche
Alles über die wunderbare Welt der Musik – und der Beweis, dass wir viel musikalischer sind, als wir denken
Dass der Buchtitel von der „wunderbaren Welt der Musik“ spricht, muss man sich während des Lesens immer wieder bewusst machen, führen doch des Autors Comedy-Scherze diese so universelle, in all ihren Bereichen transzendierende, ätherische Kunst gerne auch in die Niederungen nett witzelnder Banalität. Das klingt dann so: „Wie kommt man schlecht gelaunt mit drei Akkorden durch sein gesamtes Berufsleben? Mit dem Blues. Und den drei Akkorden Tonika, Subdominante und Dominante. Falls Ihnen diese drei Freunde im letzten Satz spanisch vorkommen, lesen sie am besten das Kapitel ,Einführung in die Harmonie‘. Danach sind auch Sie Insider.“
Als solcher wundert man sich dann über einen Satz wie „Der Blues ist Plagiat des 1873 geborenen Musikers W.C. Handy“ (selbstverständlich mit Hinweis: „Das ist wirklich der Name des Musikers“). Gleichwohl verfügt der Autor dieses durchaus amüsanten Buchs zweifellos über Insiderwissen. Als Jazzpianist mit Konzertexamen, preisgekrönter Musikkabarettist und musikalischer Sidekick bei Eckart von Hirschhausens Shows ist er mittendrin in dieser „wunderbaren Welt der Musik“.
Sie ist hier eingefangen in 71 ein- bis dreiseitigen Kapiteln, thematisch angesiedelt zwischen Martin Luther („Das war der Beginn der Songbücher“) und „Katzenmusik“, wobei nicht erste Versuche auf der Geige gemeint sind, sondern die Musik, die Katzen erforschtermaßen mögen. Und da werden Beethovens „Mondscheinsonate“ (1. Satz), Bachs „Goldberg-Variationen“ oder Chopin-Nocturnes genannt. Stellt man sich die „Katzenmusik“ im Rahmen einer von Reuters Kabarettveranstaltungen vor, wäre das sicher eine typische Mitklatschnummer mit lachenden Publikumsgesichtern.
Dem Leser dieses langgezogenen, aufgeschriebenen Kabarettabends, den der Autor unter „Musikliebhabern“ zwischen Beethoven-Liebhabern und Stefanie-Hertel-Fans verortet, bleibt das Schmunzeln. Beide, Leser und Kabarettpublikum, können sich auf geschickte Weise belehrt fühlen. Man liest, dass Musikgeschmack und Intelligenz in vielfältiger Relation zueinander stehen, dass „Fazioli keine Nudel“ ist, sondern eine teurer italienischer Flügel. Vom Nutzen des Singens ist dann nicht nur die Rede, sondern der Leser dieses Buchs bekommt auch praktische Einsingübungen geboten. Da sollte Reuter seinen Gesangslehrer noch mal kontaktieren, ob das Hecheln wirklich mittels Brustatmung geschieht.
Ohne den Horror, der in „Die Aufnahmeprüfungen“ Thema ist, kann man „Schnell mal Gitarre lernen“ oder sich in „Die C-Kralle – Klavier spielen lernen in zwei Minuten“ über die arg unbequeme Akkordtechnik des Autors ärgern. Auf Livemusik, die Reuters Bühnenshows ihren pfiffigen Charme gibt, muss der Leser verzichten. An ihre Stelle treten am Ende jedes Kapitels „Ohrwurm“-Vorschläge zum Selbersingen. Eigene Ohrwürmer können dort auch aufgeschrieben werden. Seien wir also musikalisch! Inka Hagens leichthändige Illustrationen ergänzen den Tonfall des Buchs.
Günter Matysiak