Werke von Marina Baranova, Felix Mendelssohn Bartholdy, Nadia und Lili Boulanger, Richard Strauss, Ludwig van Beethoven u. a.
Alle Menschen werden Schwestern
Anouchka Hack (Violoncello), Katharina Hack (Klavier)
Einem Duo schadet es eigentlich nie, sich auch über das reine Musizieren hinaus gut zu kennen, ja zu verstehen. Und möchte man dann auch noch trittsicher gemeinsam improvisieren, muss schon eine gewisse musikalische Wegstrecke zusammen zurückgelegt worden sein. Die Schwestern Anouchka und Katharina Hack scheinen sich nicht nur gut zu verstehen und interpretatorisch im Einklang zu sein; sie ergänzen sich auch so fabelhaft, dass auf der gesamten vorliegenden CD mit ihrem teilweise sehr kleinteiligen Programm nie der Höreindruck entsteht, es ginge hier um „Solo plus Begleitung“. Exemplarisch dafür darf Richard Strauss’ Morgen stehen, dessen beide Parts man selten so innig verschränkt und gleichberechtigt gehört hat.
Doch auch jenseits eher kontemplativer und ruhigerer Kompositionen wie den Lied-Adaptionen oder der Paraphrase über Freude, schöner Götterfunken der ukrainischen Komponistin Marina Baranova beweisen die Cellistin Anouchka Hack und ihre Schwester Katharina Hack am Klavier eine perfekte Abstimmung und absolut gleichberechtigtes Musizieren. Die beiden Musikerinnen zeigen, welch großartige und richtungsweisende Komponistin Nadia Boulanger war, bevor sie sich, nach dem Tod ihrer Schwester Lili, ganz der Ausbildung vieler weiterer Komponistengenerationen gewidmet hat. Ihre Trois Pièces heben die Schwestern Hack auf eine Stufe mit Debussy oder Ravel und gerade im abschließenden Nerveusement rhythmé treffen sie exakt den Nerv des Notentexts.
Eine berühmte Schwester trifft man auch in Fanny Hensels Fantasia in g-Moll für Violoncello und Klavier und in ihrem Schwanenlied. Dabei gelingt es Anouchka und Katharina Hack perfekt, jedem kleinen Stück Musik eigene Konturen mitzugeben, aber diese keinesfalls zu überzeichnen. Ihr Programm ist keine Sammlung virtuoser Zugaben oder auf Wirkung getrimmter Einzelstücke. Vielmehr entwerfen die beiden Schwestern eine instrumentale Duo-Leistungsschau, die Jahrhundertgrenzen verschwimmen lässt in einem breiten gesanglichen Fluss mit klarem Wasser und einer konturenreichen Uferbegrenzung.
Höhepunkte dieses exakt durchchoreografierten Cello-Klavier-Abends sind Wolf Kerscheks kongeniale Bearbeitung des If I Ain’t Got You von Alicia Keys, das Anouchka und Katharina Hack zu einer grandiosen musikalischen Liebeserklärung machen – und zu einer auch klanglich überzeugenden Hymne. Klangstark zeigen sich die Schwestern aber auch in ihren beiden Solostücken: Anouchka in einer frei ausschwingenden Lamentatio von Giovanni Solima, Katharina in drei sorgfältig ausbalancierten Klavierstücken von Lili Boulanger.
Daniel Knödler