Roland Fister

Alice im Wunderland

Ein sinfonisches Märchen für Sprecher und Orchester nach dem Roman von Lewis Carroll. Ingo Paulick (Sprecher), Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg, Ltg. Roland Fister

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 03/2019 , Seite 71

Eine gute Stunde lang dauert die musikalische Reise mit Alice ins Wunderland, die sich für Kinder ab dem Grundschulalter eignet. Heinz Janisch hat eine Fassung des berühmten Märchens geschrieben, die kurzweilig und stimmungsvoll Alices Fall ins Kaninchenloch, ihre Begegnungen mit der Raupe, der Grinsekatze und den Rosen sowie ihre Erlebnisse während der Teeparty und das dramatische Spiel gegen die Königin erzählt. Besonders in der Anfangssequenz, der Bahnhofsszene, werden die Parallelen zwischen Realität und Fantasie sowie ihre steigende Verschmelzung musikalisch eindrucksvoll erfahrbar.
Doch auch im weiteren Verlauf der elf auf der CD enthaltenen Tracks ergänzen sich Ingo Paulicks Stimme und die Musik des Philharmonischen Landesorchesters Coburg stimmungsvoll, geben einander Raum und werden zu einem einladenden Teppich für die eigene Imagination. Dazwischen gibt es zahlreiche allein musikalische Passagen, die neben der Vorstellung auch die Lust am Hören der einzelnen Instrumente anregen.
Roland Fister schafft mit der Ausarbeitung des Kompositionsauftrags des Landestheaters Coburg einen musikalischen Erfahrungsraum, dem man – selbst unabhängig von der Erzählung – nachlauschen möchte, da er die gefühlte phantastische Weite des Wunderlands auf Schönste erfahrbar macht. Dass es hierbei für jede Figur ein eigenes Motiv gibt, erschließt sich unter Umständen erst nach Lesen der Notenbeispiele und Erläuterungen im Booklet. Dort finden sich außerdem Informationen zu den Künstlern und zur Geschichte sowie ein Link zu einer Website mit dem kompletten Sprechertext.
Die Geschichte wird meist unaufdringlich und mit viel Raum für eigene Emotionen und gleichzeitig mit Feingefühl und Variation in den verschiedenen Charakteren erzählt. Allerdings möchte man trotz der vielfältigen Gründe, die die hochkarätige Sprecherbesetzung rechtfertigen, fragen, ob nicht auch eine weibliche Stimme für Alice und einige der anderen Charaktere passender gewesen wäre.
An die musikalische Bearbeitung ergibt sich beim Hören die Frage, ob sich die Dramatik der Geschichte an einigen Stellen noch klarer hätte spiegeln können oder ob gerade in dieser manchmal differierenden Dynamik zwischen Sprache und Musik der poetische Kommentar entsteht, welchen Sprache und Musik füreinander darstellen.
Diese Poetik im Zusammenspiel mit den im Einleger abgedruckten Bildern der Coburger Ballettinszenierung von 2017 machen nicht nur generell Lust auf Musiktheater, sondern regen zum Gespräch über das Gehörte und zu erneutem Hören an, denn man kann es mit einem der letzten Sätze der Geschichte sagen: „Das Ganze […] scheint wie ein rätselhaftes, spannendes Wunderland, das sicher noch viele Überraschungen […]bereit hält.“
Judith Ph. Franke