Michael Hofmeister

Alexander Ritter

Leben und Werk eines Komponisten zwischen Wagner und Strauss

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Tectum
erschienen in: das Orchester 01/2019 , Seite 62

Selbst in der neuesten Ausgabe des MGG, der führenden Enzyklopädie der Musik, ist Alexander Ritter gerade einmal eine halbe Seite gewidmet. Biografien Ritters liegen nur von seinen Zeitgenossen Friedrich Rösch (1897), Hermann Teibler (1902) und Siegmund von Hausegger (1907) vor. Dass sich ausgerechnet in dem 2012 erschienenen Wagner-Lexikon (Laaber) der bisher um­fangreichste Artikel über ihn findet, verdankt sich der Tatsache, dass Wagner in Ritters Leben eine wesentliche Rolle gespielt hat: Alexander Ritter war seit 1854 mit Wagners Nichte Franziska verheiratet, und Alexanders Mutter, Julie Ritter, hat durch ihre finanziellen Zuwendungen Wagners Überleben im Schweizer Exil gesichert.
Wagners Freund und Förderer Franz Liszt hatte Ritter als Zweiten Kapellmeister nach Weimar geholt, der Wagner-Dirigent Hans von Bülow holte ihn später als Zweiten Konzertmeister nach Meiningen, wo Ritter den Wagnerianer Richard Strauss kennenlernte, der sich viel für ihn einsetzte. Mit Cosima und Richard Wagner pflegte das Ehepaar Ritter freundschaftlichen Umgang.
Obwohl Ritters Œuvre (Schriften, Opern, Kammermusik, Chormusik, Lieder und mehr) reich ist, ist er nicht wegen seines kompositorischen Schaffens, sondern eher wegen seines geradezu missionarischen Eintretens für die Neudeutsche Schule bekannt geworden. Geboren 1833 im estländischen Narwa hatte er in Dresden und Leipzig Geige, Dirigieren und Komposition studiert. Seine beruflichen Stationen waren Weimar, Würzburg, Schwerin, Chemnitz, Meiningen und München. Dort setzte er sich als Wortführer der „Ritterschen Tafelrunde“ vor allem dafür ein, den Komponisten der sogenannten Münchner Schule – unter anderem Ludwig Thuille, Max von Schillings und Hermann Bischof – Musik und Schriften Liszts und Wagners nahezubringen. Ritter starb 62-jährig 1896 in München.
Michael Hofmeister hat mit Akribie und Sorgfalt recherchiert, um Leben, Werk und Person Alexander Ritters, sein „Pech und Scheitern“, so umfassend wie möglich darzustellen. Dank neuen Quellenmaterials erweitert er die bisherigen Kenntnisse und befreit, ergänzt und verifiziert das Bild des zwischen Wagner und Strauss vergessenen Komponisten von Entstellungen sowie Unterschlagungen. Hofmeister hat das bisher vollständigste Werkverzeichnis erstellt und sogar einige unveröffentlichte Briefe Ritters abgedruckt. Zur Frage nach Ritters musikgeschichtlicher Bedeutung und seiner Rezeption zitiert der Autor den Schriftsteller Herbert Rosendorfer: „Die Qualität Ritterscher Werke kann heute nicht beurteilt werden, weil sie nie zu hören sind.“
Hofmeister hat für seine imposante Doktorarbeit, die nur dank des Frankfurter Richard-Wagner-Verbandes als Buch gedruckt werden konnte, keinen Fleiß und keine Mühen gescheut und hat eine Vielzahl von Archiven gesichtet und Bibliotheken durchforstet. Er hat mit seinem Buch, dem schon jetzt der Rang eines Standardwerks zukommt, eine Lücke in der Musikgeschichtsschreibung geschlossen. Chapeau!
Dieter David Scholz