Barbara Meier

Alban Berg

Biographie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Königshausen & Neumann
erschienen in: das Orchester 06/2018 , Seite 61

Noch immer, mehr als 80 Jahre nach seinem Tod, gehört Alban Berg zu den vergleichsweise wenig port-rätierten Komponisten der Moderne. Die letzte deutsche Berg-Biografie von Constantin Floros erschien 1992. In Österreich veröffentlichten Herwig Knaus und Wilhelm Sinkovicz 2009 das Buch “Alban Berg. Zeitumstände – Lebenslinien”.
Barbara Meier, die bereits Biografien über Schumann, Verdi und Liszt veröffentlichte, liefert in ihrer neusten Publikation ein erzählerisches Abbild des Berg-Lebens als Sinnbild des Künstlers schlechthin. Es handelt sich um ein durchaus gelehrtes Buch, aber man merkt es nicht. Es liest sich wie ein Roman. Wer dennoch Hintergrundinformationen und Quellen sucht, wird in mehr als 1000 Anmerkungen, Register und Bibliografie fündig. Barbara Meier spannt einen Bogen von der untergehenden k. u. k. Monarchie bis hin zu Hitlers Aufstieg. Die Künstlerbiografie wird bei ihr zum Zeitbild, das individuelle Schicksal des Komponisten zum Spiegel allgemeiner Gesellschafts- und Kultur-, insbesondere Musikgeschichte.
Man erfährt viel über die engen Freundschaften Bergs mit Arnold Schönberg, Theodor W. Adorno und Otto Klemperer, aber auch über die „Feindschaften“ mit dem einflussreichen Musikkritiker Julius Korngold (dem Vater des komponierenden Konkurrenten Erich Wolfgang Korngold) und dem opportunistischen Dirigenten Clemens Kraus.
Der Autorin gelingt es, in die Vita des liebeshungrigen, musikbesessenen und im Laufe seines kurzen Lebens (1885-1935) zunehmend kränker werdenden Komponisten eine so präzise wie allgemein verständliche Beschreibung seiner Musik zu integrieren. Die wichtigsten Werke Bergs werden kenntnisreich vorgestellt und erläutert. Barbara Meier ist nicht nur eine gute Biografin, sie versteht auch etwas von Musik. Der mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 militant sich entwickelnde Antisemitismus wird zwar erst gegen Ende des Buches zum Thema, setzt der Berg-Biografie aber ihre Dornenkrone auf. Berg war Christ, wurde aber in Sachen Musik in einen Topf geworden mit den Juden, denn das „Judentum in der Musik“ war für die Nazis gleichbedeutend mit Atonalität und Neuer Musik schlechthin.
So wie diese Biografie mit einem Bild des Glücks, einer einfühlsamen Beschreibung der gutbürgerlichen Familie Berg beginnt, so schließt sie mit einem herzzerreißenden Bild des Unglücks. Die Autorin beschreibt detailliert den Tod des verarmten, isolierten Alban Berg: Seine Frau hatte ein Furunkel geöffnet, was zu einer Blutvergiftung führte.
In einem Epilog würdigt Barbara Meier die 1937, zwei Jahre nach Bergs Tod, in Zürich uraufgeführte unvollendete zweiaktige Oper Lulu, die in ihrer von Friedrich Cerha komplettierten dreiaktigen Fassung erst 1979 von Pierre Boulez in Paris auf die Bühne kam – Bergs Vermächtnis.
Dieter David Scholz