Werke von Jane Vignery, Esa-Pekka Salonen, Jörg Widmann und anderen

Air

Tillmann Höfs (Horn)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 18615
erschienen in: das Orchester 02/2019 , Seite 73

Im Zeitalter höchster Spezialisierung ist es auch unter Blechbläsern unüblich, ja fast skurril, einfach die Profession – sprich: das Instrument – zu wechseln. Vor diesem Hintergrund kann man sich über die Karriere von Tillmann Höfs gar nicht genug wundern. 2017 hat er als erster Hornist seit 33 Jahren den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen. Sein erstes Instrument indes war die Trompete – auf ihr gewann er den ersten Preis beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Dann probierte Höfs mehr oder weniger zufällig ein Horn aus und fand daran so viel Gefallen, dass er wenige Jahre später den gleichen Preis noch einmal gewann, nun als Hornist. Jetzt ist er 22 Jahre alt und könnte einer der führenden Hornisten der nächsten Jahrzehnte werden.
Beim Label Genuin hat Tillmann Höfs, dessen Vater Matthias Höfs Professor für Trompete in Hamburg ist, seine erste CD vorgelegt. Und auch das ist eine wohltuende Überraschung: Sie enthält überwiegend Kompositionen, die bislang kaum eingespielt wurden. Zum Beispiel die wunderbare Hornsonate der belgischen Komponistin Jane Vignery (1913-1974), die erst in jüngsten Jahren entdeckt worden ist. Für Vignery ist Musik „bewegte Architektur“, ein scheinbar formalistischer Ansatz, den man ihrem Werk aber nicht anmerkt. Sie bedient sich einer spätromantischen, französisch beeinflussten Tonsprache und fordert dem Hornisten eine große Leistung ab.
Richtige Hammerwerke sind auch die Konzertetüde des finnischen Dirigenten, Komponisten und Hornisten (!) Esa-Pekka Salonen (*1958) und die Air von Jörg Widmann (*1973). Beide sind für Horn solo geschrieben und stellen nicht nur höchste Anforderungen an Flexibilität und Kondition, sondern sehen auch vertrackte Spieltechniken vor – Stopfwechsel in Sekundenbruchteilen und Singen bei gleichzeitigem Spielen sind nur zwei davon. In Widmanns Air spielt der Hornist in das geöffnete Klavier hinein.
Tillmann Höfs’ Hornklang hat einen schier unglaublichen Spielraum. Ventiltechnik und Höhe wie Tiefe sind fulminant, seiner Kraft sind offenbar kein Grenzen gesetzt. Zugleich zeichnet sich sein Sound durch hohe Intensität aus und bleibt bis ins dreifache Fortissimo hinein rund. Die Krankheit mancher Solohornisten, schon im Mezzoforte-Bereich eine metallische Schärfe zu entwickeln, ist ihm fern. Sein Piano ist nicht ganz so vielgestaltig, aber edel. Und Höfs hat mit Akiko Nikami eine kongeniale Klavierpartnerin, die spezialisiert ist auf das Zusammenspiel mit Hornisten.
Drei weitere Werke, diesmal etwas bekanntere, enthält die CD: das himmlische Andante op. posthum von Richard Strauss und die Empfindungen am Meere op. 12, eine von vielen Hornkompositionen von Franz Strauss (dem Vater Richards). Schließlich die strenge Hornsonate F-Dur (1939) von Paul Hindemith, auch sie selten eingespielt.
Einziger Wermutstropfen: Das Booklet enthält kein Wort über die Komponisten. Man glaubt kaum, dass Deutscher Musikrat und Deutschlandfunk Kultur so etwas fertigbringen. Deshalb nur vier Punkte.
Johannes Killyen

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