Werke von Maurice Ravel und Henri Duparc

Aimer et mourir. Danses et mélodies

Magdalena Kožená (Mezzosopran), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Robin Ticciat

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Outhere Music/ Linn Records
erschienen in: das Orchester 03/2019 , Seite 69

Der 1983 in London geborene Dirigent Robin Ticciati übernahm 2017 die künstlerische Leitung des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Auf dieser CD dokumentiert er erneut sein Faible für die französische Musik in einer Mischung aus oft gespieltem Repertoire – Maurice Ravels zweite Suite aus Daphnis et Cloé sowie die Valses nobles et sentimentales – und Raritäten von Henri Duparc.
Der 1848 in Paris geborene César-Franck-Schüler Duparc hinterließ vor allem 17 in den 1870er und frühen 1880er Jahren entstandene Lieder, die als Meilensteine des französischen Liedguts zwischen Berlioz, dem späteren Fauré und Debussy gelten. Vier von Duparc selbst orchestrierte Lieder nach Texten von Charles Baudelaire, Théophile Gautier, Henri Cazalis und Charles Leconte de Lisle sind auf der CD zu hören. „L’Invitation au voyage“ aus Baudelaires Fleurs du mal, in dieser Aufnahme vom originalen c-Moll nach a-Moll transponiert, zeigt modellartig die Stärken des Du­parc’ schen Liedstils: Die Gesangsstimme formuliert die „Reiseaufforderung“ an die Geliebte, in ein utopisch schönes Land zu gehen – „wo alles friedlich lacht, Lust und Heiterkeit und Pracht“ nach Stefan Georges Übersetzung – in rhythmisch und intervallisch schlichter Faktur und stets getragenem Grundtempo. Eine subtil ausgehörte, nicht zuletzt an Richard Wagner orientierte Harmonik beleuchtet dabei die textlichen Zwischen- und Untertöne zwischen Sonne und Regen, Lachen und Weinen, wohl auch Zuversicht und Enttäuschung.
Das Orchester mischt Tremoli der Streicher, eine warme Grundierung durch vier Hörner, viele Triller in den Holzbläsern und, zum Dur-Ende hin, Dreiklangsfiguren der Harfe zu einem insgesamt magischen, prä-impressionistischen Klanggeschehen.
Die aus dem mährischen Brünn stammende Opernsängerin Magdalena Kožená singt die weit ausladen­den Duparc-Kantilenen mit souveräner Ruhe, kluger dynamischer Disposition und ohne jegliche vordergründige Allüre. An manchen Stellen wünschte man sich einen differenzierteren Einsatz des Vibratos, was der von der Tontechnik hörbar angestrebten „sinfonischen“ Einbettung der Stimme ins Gesamtgeschehen noch mehr entgegenkäme. Duparcs knapp sechsminütige C-Dur-Tondichtung Aux étoiles gibt vor allem den Streichern des Deutschen Symphonie-Orchesters Gelegenheit, im lyrischen Wohlklang zu schwelgen. Erwartungsgemäß relativiert Ravels brillante und hochraffinierte Orchesterbehandlung der Jahre 1910/11 den Duparc’schen Standard – vierzig Jahre Musikgeschichte sind insofern als „Fortschritt“ auf dieser CD deutlich auszumachen. Orchester wie Dirigent bieten eine homogene und überzeugende Interpretation auch dieser berühmten Stücke.
Im Booklet findet sich ein kompetenter Einführungstext von Roger Nichols. Warum gelang es aber nicht, den deutschen Übersetzer zu überzeugen, dass „pedal notes“ nicht „Pedalnoten“, sondern „Orgelpunkte“ sind?
Rainer Klaas

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