Giovanni Legrenzi, Alessandro Stradella, Giovanni Battista Buonamente und anderen

Affetti Musicali

Venetian Music of the Seicento. Ensemble Colorito

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ensemble Colorito Coviello Classics
erschienen in: das Orchester 07-08/2021 , Seite 68

Ein apartes Repertoire, musiziert von einem vorzüglichen Ensemble auf seiner ersten CD-Einspielung: Das kennzeichnet die vorliegende Aufnahme. Das Ensemble Colorito, das sich nach einem Begriff aus der durch das Primat der Farbe bestimmten venezianischen Malerei der Renaissance benannt hat, wurde von Studierenden an der Frankfurter Musikhochschule gegründet, die heute in großen Orchestern, bei anerkannten Originalklangensembles und in Barockszene sowie als Lehrende tätig sind. Die Instrumentalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts steht bei der Arbeit des Ensembles im Blickpunkt, das im Kern aus sechs Musikern besteht, aber auch in größerer Besetzung und mit Sängern auftritt.
Farbig ist in dieser ersten CD des Ensembles sowohl die Auswahl der Stücke als auch das Spiel von Steffan Hamm, Monika Nussbächer und Donata Wilken (Barockvioline), Katrin Ziegler (Barockcello), Ute Christina Riemer (Cembalo und Orgel), Toshinori Ozaki (Theorbe und Barockgitarre) sowie in vier der zwölf Werke Johannes Stähle (Violone).
Es sind nicht nur Komponisten aus Venedig vertreten, wohl aber solche, die dort ihre Werke drucken ließen und sich von der dort kultivierten Kunst der Affektdarstellungen in Tönen inspirieren ließen. Gleichwohl fehlt Antonio Vivaldi nicht, der mit dem Cellokonzert
c-Moll RV 401 vertreten und der einzige Komponist des Programms ist, der ins 18. Jahrhundert reicht. Ansonsten sind mit Legrenzi, Stradella, Dario Castello, Michelangelo Rossi oder Biagio Marini, dessen op. 1 mit dem Titel Affetti Musicali der ganzen CD ihren Titel gegeben hat, Meister der Instrumentalmusik des 17. Jahrhundert vertreten.
Das Ensemble Colorito weiß nicht nur die zuweilen sehr raschen Wechsel der musikalischen Stimmung auf eine ebenso spannende wie schlüssige Weise zu vermitteln und so dieser Kunst ihren eigenen Reiz aufs Schönste zu entfalten, es spielt auch in der Tat mit leuchtenden Farben. Die Palette ist faszinierend groß und macht auch vor ganz ausgefallenen und regelrecht bizarren Nuancen nicht halt. Das Schluss-
stück mit Marinis Sonata sopra La Monica ist dafür ein treffliches Beispiel.
Es gibt auf 70 Minuten nicht nur Ensemblestücke, sondern auch Solostücke einzelner Ensemblemitglieder, die sich überhaupt alle ausgezeichnet in Szene zu setzen wissen. Vor allem aber begeistert das fundierte Wissen um und die bestechende musikalische Einfühlsamkeit in die Ästhetik dieser herrlichen frühen Kammermusik des Barocks mit ihrem Kosmos an Affektdarstellungen.
Wer sich die Programmfolge anschaut, ahnt schon, welche Nummer die mitreißendste sein dürfte: die Aria sopra la Bergamasca von Marco Uccellini. Diese lebt zwar nicht vom Wechsel der Gefühle, aber von virtuosen Variationen über einen Grundbass. Das Ensemble Colorito spielt das eingängige Stück mit überwältigendem rhythmischen Elan und macht daraus ein funkensprühendes und farbenfrohes musikalisches Feuerwerk.

Karl Georg Berg