Adventures of a trumpet

Matthias Höfs plays Wolf Kerschek

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Phina Music Productions
erschienen in: das Orchester 06/2012 , Seite 73

Im klassischen Musikbetrieb dürfte der Name Wolf Kerschek nur mäßig bekannt sein – was weniger gegen Kerschek als für eine immer noch geringe Durchdringungstiefe von Klassik, Jazz und Pop spricht. Im Hauptberuf ist Kerschek Leiter des Studiengangs Jazz und Professor für Jazzkomposition, Ensembleleitung und Filmmusik an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Aussagekräftiger jedoch ist die Liste derjenigen Bands, Stars und TV-Produktionen, für die er Arrangements geschrieben hat: Roger Cicero und Annett Louisan, Helene Fischer und Rammstein, Gitte Haenning und Vicki Leandros, Deutschland sucht den Superstar und Let’s dance. Kerschek dirigiert, spielt, komponiert, bearbeitet. Er ist in allen Stilen und Genres zu Hause und bezeichnet sich schlicht als „Weltmusiker“.
Nun hat sich Wolf Kerschek, Jahrgang 1969, mit Matthias Höfs, einem eher klassisch orientierten Kollegen an der Musikhochschule Hamburg und Solotrompeter unter anderem bei den Edelbläsern von „German Brass“, zusammengetan und eine CD mit eigenen Werken vorgelegt. Im Mittelpunkt des Rittes durch alle Stile (Titel: Adventures of a trumpet) steht Höfs mit seinen Trompeten – dabei auch eine von Max Thein eigens zu diesem Anlass konstruierte „Double Bell Trompete“ mit zwei Schalltrichtern. Die schillernde Koppelung wird noch bunter durch die Einbeziehung der Hamburger Symphoniker in Liaison mit einem Jazztrio – und in der kurzen Komposition A spanish Christmas mit einem Flamenco-Trio. Ein Teil des CD-Erlöses wird übrigens an Betroffene der Nuklearkatastrophe von Fukushima gespendet.
Zur Beschreibung der Stilvielfalt dieser Produktion lässt sich gut ein Satz aus dem ausführlichen Booklet zitieren: „Von klassisch anmutenden Passagen über Jazz-Elemente, Afro-brasilianische Rhythmen oder Club-Beats, von mysteriös-filmmusikalischen bis hin zu verspielt-virtuosen Sätzen wird die Trompete auf eine Reise zu unterschiedlichen musikalischen Horizonten geschickt.“ Damit ist ein Parcours gesteckt, der Komponist wie Solist zu Höchstleistungen anspornt. Und zweifellos ist Höfs ein hervorragender Trompeter – ebenso wie Kerschek in Perfektion mit jeglichem musikalischen Material umzugehen weiß.
Die ketzerische Frage ist: Was erreicht dieses Vorhaben? Vielleicht werden damit Menschen angesprochen, denen pure Klassik zu konservativ ist, die aber doch ganz gerne ein Sinfonieorchester genießen. Oder Blechbläser-Fans, die immer wieder aufs Neue hören möchten, was man alles auf der Trompete blasen kann. Über die kompositorische Konsistenz von Adventures of a trumpet darf man aber trotz aller handwerklichen Perfek-
tion diskutieren. Eine Sicht könnte lauten: Aus Vielfalt wird mit zunehmendem Höreindruck Beliebigkeit, ein Nebeneinander von Stilen, die sich kaum gegenseitig befruchten und letztlich wenig Originalität bieten – nichts wirklich Neues schaffen. Die Trompete als Bindeglied reicht da nicht aus. Aber vielleicht muss diese Art postmodernen Komponierens mit einer eigenen Latte gemessen werden. Vielleicht ist alles eben nur eine Frage des Geschmacks.
Johannes Killyen