Davies, Peter Maxwell

A Reel of Spindrift, Sky for orchestra

Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 03/2013 , Seite 68

Englische Komponisten haben ein entspanntes Verhältnis zu königlichen Autoritäten. So kennt man in England die außerordentlich ehrenvolle Institution des “Master of the Queen’s Music”. Ihm obliegt es, zu speziellen königlichen Anlässen Musik zu schreiben.
Peter Maxwell Davies bekleidet diese Position seit 2004; er hat es sich sogar nicht nehmen lassen, seitdem für seine Königin jedes Jahr ein Weihnachtslied zu komponieren. Und die vorliegende etwa acht- bis zehnminütige Komposition A Reel of Spindrift, Sky (zu übersetzen vielleicht als “wirbelnder Sprühnebel”) für kleines Orchester (mit doppelt besetzten Holzbläsern, Hörnern und Trompeten, etwas Schlagzeug und Streicher) widmete er 2011 “H. R. H. Prince William of Wales and Miss Catherine Middleton on the occasion of their marriage”.
Geschrieben hat Maxwell Davies dieses Orchesterwerk freilich für das National Youth Orchestra of Iraq, das von jugendlichen Musikern jedweder religiösen und ethnischen Herkunft gebildet wird, die jeden Sommer zwei Wochen lang zusammen musizieren und darüber vielleicht auch ihre wechselseitigen Vorurteile abzulegen lernen. Er hatte sich sogar zum Composer in Residence dieses Orchesters wählen lassen. Die Uraufführung fand denn auch am 15. September 2011 im irakischen Erbil statt.
Dass diese Musik unverkennbar schottisch getönt ist und eine durchaus kühle Küstenlandschaft evoziert, wird die jungen irakischen Musiker wohl stimuliert, gewissermaßen erfrischt haben. Maxwell Davies lässt sogar schottische Volksmusik anklingen, ohne sie auffällig zu zitieren; er hält die gut zu überschauende Partitur harmonisch-tonal modal, bietet nur solche rhythmischen Komplikationen, die lustvoll zu bewältigen sind, und gibt allen Instrumentengruppen Gelegenheit, sich hervorzutun. Doch ist das Werk nicht nur für gehobene Ansprüche junger Musiker gedacht, sondern repräsentiert eine vollgültige Bereicherung des Orchesterrepertoires durch seine originäre, seltsam ausdrucksvolle Stimmung ohne Emotion, wie sie nur in der Musik von Maxwell Davies zu finden ist. (Ein kurzes Klangbeispiel ist übrigens leicht über den vom Schott-Verlag betreuten Internet-Auftritt des Komponisten abrufbar.)
Maxwell Davies (geb. 1934), der seit 1970 in Orkney lebt, hat bislang ein Œuvre vorgelegt, das sich in seiner Weite und Breite am ehesten mit demjenigen von Hans-Werner Henze vergleichen lässt. Es umfasst alle Gattungen einschließlich der Musik für Kinder und Dilettanten und lässt sich auch kaum mehr ganz überschauen (A Reel of Spindrift, Sky trägt die opus-Zahl 309; mittlerweile ist er bereits bei op. 321 angelangt). Wohl mehren sich Aufführungen seiner Musik auch in Deutschland; aber dass sie hier die Beachtung findet, die sie verdiente, lässt sich kaum behaupten. Mit Veröffentlichungen wie der vorliegenden, die vom Schott-Verlag in der gewohnten optimalen Qualität herausgebracht wurde, sollte sich das endlich ändern.

Giselher Schubert