A Night of Encores
Summer Concert from the Berlin Waldbühne. Mit Werken von Moniuszko, Wieniawski, Tschaikowsky, Chapi, Kim, Lumbye, Sibelius u. a.
Das Wetter war schön, die Atmosphäre und die Stimmung auch. In der Mittsommernacht, am 23. Juni 2002, beim alljährlichen Waldbühnen-Konzert der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Mariss Jansons, wurde den Zuhörern ein Abend angeboten, der aus zahlreichen Encores (Zugaben) bestand. Das zauberhafte Ambiente, das zur Entspannung, Gelassenheit, Freude und zum (Mit)Spielen einlud, inspirierte die Hauptidee des Konzerts: Die musikalischen Leckerbissen wurden sowohl von den Musikern als auch vom Auditorium genossen. Der Aufbau des Konzerts war einfach und klar: Der weltberühmte und brillant spielende Virtuose Vadim Repin, begleitet von den Berliner Philharmonikern, wechselte mit den Orchesterstücken. Die Regie dieses Divertissements wirkte ungezwungen und bleibt im Hintergrund; unmerkbar, jedoch konsequent wurden die Zuhörer geführt, was die ständig wachsende Begeisterung des Auditoriums bestätigte. Diese versteckte Führung beruhte nicht nur auf der Musikqualität des ausgewählten Programms, auf Charme, Eleganz und Virtuosität der Interpretation, sondern auch auf dem gewissen Etwas, das in der Luft dieser Wundernacht lag.
Die deutliche Gefahr, des Erfolgs wegen in Trivialität zu verfallen, vermieden die Interpreten, indem sie auf allerlei Klischees in berühmtesten Zugaben verzichteten. Die Virtuosität und Leichtigkeit, die Vadim Repin in Stücken wie Polonaise op. 4 von Henri Wieniawski oder Tambourin chinois von Fritz Kreisler zeigte, erschien so organisch, dass man die technische Seite des Spielens vergaß. Das Elegische und Lyrische ohne jeglichen Hauch von Banalem wurde in Tschaikowskys Mélodie betont; keineswegs sentimental, sondern intensiv, zart, sehnsüchtig und nobel erklang Sibelius Valse triste. Enthusiastisch wurden solche klassischen Encores gespielt wie Pas de deux aus Tschaikowskys Nussknacker, Faradole aus Bizets LArlésienne oder das Vorspiel zum dritten Akt des Lohengrin, in dem besonders frisch und lebendig zahlreiche Soli erklangen.
Extreme Kontaktfreudigkeit des Spielens wurde besonders deutlich, als die Subordination Solist Orchestermusiker im Mitwirken eines Schauspiels verschwand, wie etwa in Paganinis
Il carnevale di Venezia, wo der Dirigent demonstrativ zurücktrat und die Haltung des Solisten sowie ausgewählte Tempi und Nuancen das Ganze prägten. Dass das Karnevalistische, Spielerische in diesem Stück zum Hauptelement wurde, begrüßten die Zuhörer geradezu stürmisch. Auch die Grenze zwischen den Interpreten und dem Auditorium löste sich allmählich auf: Spontan äußerten die Zuhörer ihre Gefühle, indem sie sich bewegten und tanzten sowohl in lyrischen Episoden wie im Intermezzo aus Mascagnis Cavalleria rusticana als auch im Walzer Wiener Bürger von Carl Michael Ziehrer oder am Schluss in Paul Linckes Schlager Berliner Luft. Ohne Zaubersprüche und märchenhafte Wünschelrute wurde ein echtes Wunder vollbracht: Zauber und Magie der Natur und der Kunst waren in dieser Nacht allgegenwärtig.
Marina Lobanova