Rodion Shchedrin

A Christmas Tale

Opera-extravaganza in zwei Akten, Studienpartitur/Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 62

Der 1932 in Moskau geborene Komponist ist berühmt für seine farbige und einfallsreiche Orchestrierung, die noch zur Zeit des Sowjetregimes durch das Wirken Rostropovichs auch im Westen bekannt wurde. Ausgebildet als Pianist und Komponist wirkte er vielfach als Solist seiner eigenen Werke, ließ aber auch schon in seiner Jugend keine Gelegenheit aus, um die Raffinessen anderer Instrumente durch das eigene Musizieren zu studieren. Shchedrin, der mit der Primaballerina Maja Plissezkaja (1925-2015) verheiratet war, trat auch mit Ballettkompositionen wie Anna Karenina (1971) hervor.
Seinem Weihnachtsmärchen waren acht weitere Opern vorausgegangen, darunter seine dritte, Lolita nach Nabokov, die 1994 uraufgeführt wurde. Der Zusatz „Operaextravaganza“ des 2015 im Mariinski-Theater unter Valery Gergiev uraufgeführten Werks erstaunt angesichts der zweiaktigen Anlage und der eher kurzen Aufführungsdauer von zwei Stunden – recht konventionell also. Allerdings gibt schon ein Blick auf die Besetzung einen Vorgeschmack auf außergewöhnliche Klangfarben, denn neben einem gigantischen Aufgebot an Perkussion (5 Spieler), einem Clavicembalo und einem Synthesizer wird eine „Domra“ gefordert, eine dreisaitige Laute, die als Vorgängerin der Balalaika gilt und als Dopplung der Harfe in der Partitur für Geheimnisvolles sorgt.
Das Ineinander von neuen und folkloristischen Klangfarben lässt dramaturgisch schon die Geschichte der Oper vorausahnen. Nach dem Märchen der Tschechin Bože­na Nemtsova (1820-1862) und russischen Volkserzählungen, vom Komponisten als Libretto eingerichtet, wird die Geschichte von Zamarashka erzählt, die von ihrer Stiefmutter und deren Tochter in den Schnee geschickt wird, um für die Zarin Waldveilchen zu suchen. Anstatt aber zu sterben, wie die bö­se Stiefmutter es geplant hatte, erfährt das Mädchen Hilfe durch die „12 Monate“.
Das konventionelle Märchen wird aktualisiert durch witzige Dialoge, etwa wenn sich die Stiefmutter mit all dem gewonnenen Gold der Zarin einen Fußballclub und einen deutschen Biokoch kaufen möchte, mit dem sie 100 Jahre alt wird. Spannend darf es bei der Erfüllung der Regieanweisung werden, wenn der ganze Zuschauerraum nach Veilchen duften soll. Eine wundervolle und durchaus extravagante Idee für den Anlass des Weihnachtsfestes, zu dem man sich wünschen darf, dass Ein Weihnachtsmärchen mit seinen Zitaten von Schiller und Beethovens „Seid umschlungen, Millionen“ auch in Deutschland aufgeführt wird.
Musik, Szene und Figurendarstellung geben trotz der einfach gehaltenen Handlung genügend Spielraum für eine skurrile, ergreifende und amüsante Inszenierung. Der Schott-Verlag hat mit der Herausgabe der Partitur und des Klavierauszugs gute Grundlagen dafür geschaffen. Das Libretto wurde ins Englische und Deutsche übersetzt. Das Notenbild ist dank der großformatigen Herausgabe sehr klar und beim Klavierauszug ausgezeichnet zu lesen.
Steffen A. Schmidt