Jörg Widmann

8. Streichquartett (Beethoven-Studie III)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Schott, Mainz
erschienen in: das Orchester 6/2025 , Seite 67

Wie in seinen beiden vorangegangenen Streichquartetten Nr. 6 und 7 setzt sich Jörg Widmann in dieser 2022 durch das Juilliard String Quartet uraufgeführten Komposition mit dem Schaffen Ludwig van Beethovens, insbesondere mit dessen bedeutsamen Beiträgen zur Gattung Streichquartett, auseinander. Die in formaler wie struktureller Hinsicht jeweils anders angelegte Art dieser Auseinandersetzung schlägt sich im vorliegenden Fall in einer Dreisätzigkeit nieder, durch die der unmittelbare Bezugspunkt ins Zentrum der Komposition rückt, nämlich in Form von „Variationen über Beethovens Alla danza tedesca (op. 130/4)“. In ihnen tastet Widmann die ersten acht Takte dieses „Rätsel-Tanzsatzes“ (Widmann) auf ihre Möglichkeiten hin ab und modelliert sie in zehn unterschiedlich ausgedehnten Anläufen zu einem kontrastreichen Panorama abwechslungsreicher kompositorischer Reaktionen. Die Eigenheiten der Beethoven’schen Themenbildung werden hierbei zunächst auf tupferartig dargebotene Gerüsttöne reduziert, bevor Widmann diese stark skelettierte Lesart wieder mit Fleisch überzieht und in unterschiedliche melodische wie harmonische Richtungen wuchern lässt – eine Strategie, die sich als „permanentes In-Frage-Stellen des Behaupteten“ erweist.
Obgleich der Komponist vereinzelte Phasen der Ruhe in diesen Mittelsatz einfließen lässt, ist seine Musik hier wie in den beiden Rahmenteilen „fast durchweg in schnellem Tempo gehalten“. Dementsprechend wird die Komposition durch einen knappen, raschen Kopfsatz (Allegro con brio) eröffnet, dessen Pendeln zwischen schroff formulierten Unisono-Linien und erregten akkordischen Kasaskaden exemplarisch für den Tonfall aller drei Sätze steht. An die Variationen schließt sich wiederum ein ausgedehntes Rondo-Finale an, dessen atemlos dahinrasendes Prestissimo-Tempo gelegentlich durch kurze Rallentandi, eingeflochtene Calmo-Abschnitte oder plötzlich hereinbrechende Tranquillo-Momente ins Stolpern gebracht wird. Und immer wieder lässt Widmann in all diesen musikalischen Verläufen gestische Gestalten aufblitzen, deren Beschaffenheit und Intensität an die Ausdruckswelten von Beethovens Musik zu gemahnen scheinen.
Aufgrund seiner spezifischen Machart und der von erweiterter Tonalität dominierten Musiksprache eignet sich Widmanns achtes Streichquartett sehr gut als zeitgenössischer Kommentar zu einem reinen Beethoven-Programm. Mit seinen ausschließlich traditionell notierten Stimmen richtet sich das sechzehnminütige Werk an ein Ensemble, das nicht unbedingt Interpretationserfahrungen mit anderer, experimenteller zeitgenössischer Musik haben muss. Die Anforderungen an das Zusammenspiel sowie an eine differenzierte Gestaltung von Lautstärke und Klang sind freilich beachtlich und erfordern ein hohes Maß an spieltechnischer Routine.
Stefan Drees

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