Florian Amort (Hg.)

500 Jahre gelebte Tradition

Das Bayerische Staatsorchester

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 64

500 Jahre Bayerisches Staatsorchester: Die aktuelle Spielzeit der Bayerischen Staatsoper steht ganz im Zeichen dieses großen Jubiläums. Aus diesem Anlass hat nicht nur der aktuelle General-Musikdirektor Vladimir Jurowski Festkonzerte dirigiert, sondern es wurden auch alle lebenden Vorgänger in dieser Position eingeladen. Doch da gibt es ein Problem: Die runde Jubelzahl ist ziemlich willkürlich gewählt. Sie rückt das Jahr 1523 in den Fokus.
In diesem Jahr hatte der gerade an den Münchner Hof berufene Komponist Ludwig Senfl den Auf- und Ausbau einer Hofkapelle weiter vorangetrieben. Dieser Prozess begann aber wesentlich früher: verstärkt ab 1500. Schon um 1476 soll die Musik am Münchner Hof eine zentrale Rolle gespielt haben. Wie bei anderen Hofkapellen lässt sich also auch im Fall der Münchner Hofkapelle der konkrete Zeitpunkt der Gründung nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht genau definieren.
Aus ihr ging das heutige Bayerische Staatsorchester hervor. Gewiss ist, dass dieser Klangkörper eine musikhistorisch gewichtige Tradition hat. Ob Orlando di Lasso, Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Wagner oder Richard Strauss: Zahlreiche Persönlichkeiten haben für oder mit diesem Orchester gearbeitet. Der schmucke Jubiläumsband zeichnet diese Historie bis in die Gegenwart nach, auf Grundlage des aktuellen Wissensstands und mit lesenswerten Beiträgen von Autor:innen unterschiedlicher Provenienz.
Nach einem historischen Überblick, bei dem auch die Rolle des Bayerischen Staatsorchesters während der Nazi-Zeit nicht verschwiegen wird, folgen höchst diverse Einblicke. Da geht es um „Prägende Dirigenten“, um die Akquise von Spitzenmusiker:innen und ihre Ausbildung samt der orchestereigenen Hermann-Levi-Akademie, den „Arbeitskosmos“ von Hofkapelle und Staatsorchester, die Spielstätten und Musizierformen in München und der Welt sowie um Ausblicke in die Zukunft samt „Identitätsfragen“.
Ein Register mit Ton- und Videoaufnahmen sowie zahleiche Abbildungen und sonstige Quellen, darunter kaum bekanntes Material, runden diesen umfangreichen, von Florian Amort als Herausgeber liebevoll und gewissenhaft betreuten Band ab. Selbst wer das Bayerische Staatsorchester bereits bestens zu kennen meint, erfährt viel Neues, Anderes, auch Ungeahntes. Darüber hinaus erfährt das breite Publikum viel über den Berufsalltag in diesem Spitzen-Klangkörper.
Von einer internationalen Kritik-Jury einer führenden Opern-Fachzeitschrift wurde das Bayerische Staatsorchester bereits mehrfach in Folge zum „Besten Orchester des Jahres“ gekürt. Der Sammelband zum Jubiläumsjahr macht auch deutlich, dass dieser ungeheure Erfolg im Orchester selber als „Work in Progress“ verstanden wird. Auf irgendwelchen Traditionen ruht man sich nicht aus, sondern befragt und erneuert stets das eigene Profil. Auch das macht dieses Orchester so sympathisch.
Marco Frei