450 Years Staatskapelle Berlin. Great Recordings

Staatsoper Unter den Linden, Ltg. Strauss/Blech/Klemperer/ Kleiber/Karajan/Furtwängler/ Keilberth/Konwitschny/Celibidache/ Suitner/Boulez/Gielen/ Mehta/Barenboim

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Grammophon
erschienen in: das Orchester 11/2020 , Seite 66

Mit ihrer seit 1570 bestehenden Tradition zählt die Staatskapelle Berlin zu den ältesten Orchestern überhaupt. Durch Tonaufnahmen sind freilich nur etwa hundert Jahre dokumentiert. So existiert eine Aufnahme von Mozarts Figaro-Ouvertüre mit dem damaligen Generalmusikdirektor Leo Blech, die aus dem Ersten Weltkrieg stammt. Sie ist das älteste Tondokument dieser Edition mit historischen Aufnahmen der Staatskapelle.
Eine weitere von insgesamt 15 CDs widmet sich Richard Strauss, der dem Ensemble zwei Jahrzehnte die Treue hielt. Sie enthält eine vom Komponisten geleitete Aufnahme der Tondichtung Don Quixote. Die Edition versammelt Studio- und Live-Aufnahmen, digital überarbeitete Schellackeinspielungen sowie Rundfunkmitschnitte; darunter bislang unveröffentlichtes Material. Das üppige, deutsch-englische Booklet enthält fundierte Erläuterungen und eine detaillierte Orchester-Chronik aus der Feder des Chefdramaturgen Detlef Giese.
Jede CD widmet sich einem anderen Dirigenten, der den Klang der Staatskapelle geprägt hat. Damit erweist sich die Box vor allem für jene als Fundgrube, die an den individuellen Handschriften großer Maestri interessiert sind. Viele waren der Staatskapelle oft lange Zeit verbunden. Zwölf Jahre etwa blieb Erich Kleiber, der 1925 mit der Uraufführung von Bergs Wozzeck Aufsehen erregte. Die CD präsentiert einen 1955 entstandenen Rundfunkmitschnitt von Beethovens Fünfter, einen der letzten Auftritte Kleibers mit der Staatskapelle.
Die DDR-Zeit war vor allem durch Otmar Suitner geprägt, der das Ensemble ab 1964 leitete – wobei er als Österreicher jederzeit die innerdeutsche Grenze passieren konnte. Suitners CD bietet eine Mozart-Bearbeitung von Paul Dessau, dem der Dirigent eng verbunden war. Suitners 26 Jahre am Pult der Staatskapelle werden noch übertroffen von Daniel Barenboim, der seit 1991 den Posten des GMD innehat, inzwischen auf Lebenszeit. Barenboim wählte einen Live-Mitschnitt von Bruckners Fünfter aus dem Jahr 2010 – stellvertretend für den epochalen Bruckner-Zyklus, den er mit der Staatskapelle auf die Beine stellte.
Neben den GMDs präsentiert die Edition weitere Dirigenten: Komponisten wie Hans Pfitzner oder Pietro Mascagni, die eigene Werke dirigieren; aber auch Künstler, die man eher mit den Berliner Philharmonikern verbindet. Am Pult der Staatskapelle standen Furtwängler, Klemperer und auch Karajan, der 1938 in der Staatsoper seinen Durchbruch mit einer legendären Aufführung von Tristan und Isolde erlebte. In die Edition aufgenommen wurde Karajans Einspielung von Bruckners Achter aus dem Jahr 1944, die als eine der ersten Stereo-Aufnahmen gilt.
Die Sammlung enthält vorwiegend Werke aus dem Kernrepertoire des Ensembles: Wiener Klassik, Sinfonien von Brahms, Bruckner und Mahler; im Bereich der Oper Wagner und Verdi. Raritäten, Sperriges, Atonales bleiben außen vor.
Antje Rößler