Giuseppe Clemente Dall’Abaco
35 Sonaten
für Violoncello und Basso continuo, Bd. IV: 8 Sonaten (ABV 32–39), Erstausgabe, hg. von Elinor Frey, 2 Partituren: unbezifferter und bezifferter Bass
Sieht man einmal von den elf Capricci für Violoncello solo ab, ist das Schaffen des Komponisten und Cellisten Giuseppe Clemente Dall’Abaco (1710-1805) – ältester Sohn des weitaus bekannteren Evaristo Felice Dall’Abaco (1675-1742) – bislang kaum im Konzertleben präsent. Umso willkommener ist die sich insgesamt auf fünf Bände erstreckende Urtext-Edition mit 35 Sonaten für Violoncello und Basso continuo, die einen umfassenden Einblick in die stilistische Entwicklung Dall’Abacos ermöglicht und Auskunft über die große Bandbreite seines zwischen Generalbasszeitalter und galantem Stil angesiedelten Schaffens gibt.
In ihrem Vorwort zum vorliegenden vierten Band skizziert Herausgeberin Elinor Frey, gestützt auf die überschaubare wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema, ein Panorama vom Leben und Wirken des Komponisten und versucht sich an einer historischen Einordnung seines Schaffens. Dabei kommt sie auf prägende Einflüsse wie die französische Gambenmusik, aber auch auf spezifische Eigentümlichkeiten der musikalischen Sprache Dall’Abacos – insbesondere auf seine besonderen Fähigkeiten im Umgang mit dem Klang des Instruments – zu sprechen.
Letztere lassen sich in jeder einzelnen der hier veröffentlichten acht dreisätzigen Sonaten ABV 32 bis 39 beobachten: In vier Fällen prägen sie die langsamen Eröffnungssätze und lassen damit, einer von Satz zu Satz fortschreitenden Progression zunehmender Brillanz unterliegend, zunächst die kantablen Seiten des Instruments zur Geltung kommen.
In den übrigen Beispielen bilden sie hingegen das Zentrum, in dem – besonders charakteristisch in der „Pastorale Siciliana“ aus der Sonate Es-Dur ABV 37 – das musikalische Geschehen in der Entfaltung instrumentalen Gesangs zur Ruhe kommt, wogegen die umgebenden Rahmenteile auf unterschiedliche Weise die technische Meisterschaft des Komponisten demonstrieren.
Die Ausgabe beinhaltet zwei im Notensatz sehr gut ans Blättern angepasste Partituren mit Melodiestimme und Bass, deren erste, offenbar der Quelle – einer undatierten Handschrift aus der British Library – folgend, einen unbezifferten Basspart enthält, während die zweite darüber hinaus um eine Generalbassbezifferung ergänzt wurde.
Der vollständige Verzicht auf eine für ein Tasteninstrument gesetzte Begleitung verweist darauf, dass sich die Edition vorwiegend an professionelle Ausführende richtet, die in der Praxis mit diesen knappen Vorgaben umzugehen wissen. Dementsprechend sind auch die ins zweisprachige Vorwort (englisch/ deutsch) integrierten aufführungspraktischen Hinweise eher marginal. Der (nur in engli-scher Sprache vorhandene) Kritische Bericht ist gleichfalls sehr kurz gehalten und beinhaltet lediglich Informationen zu den Korrekturen; eine genauere Beschreibung der als Editionsgrundlage benutzten Quellen fehlt jedoch bedauerlicherweise.
Stefan Drees