Giuseppe Clemente Dall’Abaco

35 Sonaten

für Violoncello und Basso continuo, Bd. IV: 8 Sonaten (ABV 32–39), Erstausgabe, hg. von Elinor Frey, 2 Partituren: unbezifferter und bezifferter Bass

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Walhall
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 66

Sieht man einmal von den elf Capricci für Violoncello solo ab, ist das Schaffen des Komponisten und Cellisten Giuseppe Clemente Dall’Abaco (1710-1805) – ältester Sohn des weitaus bekannteren Eva­risto Felice Dall’Abaco (1675-1742) – bislang kaum im Konzertleben präsent. Umso willkommener ist die sich insgesamt auf fünf Bände erstreckende Urtext-Edition mit 35 Sonaten für Violoncello und Basso continuo, die einen umfassenden Einblick in die stilistische Entwick­lung Dall’Abacos ermöglicht und Auskunft über die große Bandbreite seines zwischen Generalbasszeital­ter und galantem Stil angesiedelten Schaffens gibt.
In ihrem Vorwort zum vorlie­genden vierten Band skizziert He­rausgeberin Elinor Frey, gestützt auf die überschaubare wissenschaft­liche Literatur zu diesem Thema, ein Panorama vom Leben und Wir­ken des Komponisten und versucht sich an einer historischen Einord­nung seines Schaffens. Dabei kommt sie auf prägende Einflüsse wie die französische Gambenmusik, aber auch auf spezifische Eigentüm­lichkeiten der musikalischen Spra­che Dall’Abacos – insbesondere auf seine besonderen Fähigkeiten im Umgang mit dem Klang des Instruments – zu sprechen.
Letztere lassen sich in jeder einzelnen der hier veröffentlichten acht dreisätzigen Sonaten ABV 32 bis 39 beobachten: In vier Fällen prägen sie die langsamen Eröff­nungssätze und lassen damit, einer von Satz zu Satz fortschreitenden Progression zunehmender Brillanz unterliegend, zunächst die kantab­len Seiten des Instruments zur Gel­tung kommen.
In den übrigen Beispielen bil­den sie hingegen das Zentrum, in dem – besonders charakteristisch in der „Pastorale Siciliana“ aus der So­nate Es-Dur ABV 37 – das musika­lische Geschehen in der Entfaltung instrumentalen Gesangs zur Ruhe kommt, wogegen die umgebenden Rahmenteile auf unterschiedliche Weise die technische Meisterschaft des Komponisten demonstrieren.
Die Ausgabe beinhaltet zwei im Notensatz sehr gut ans Blättern angepasste Partituren mit Melodie­stimme und Bass, deren erste, of­fenbar der Quelle – einer undatier­ten Handschrift aus der British Library – folgend, einen unbezifferten Basspart enthält, während die zwei­te darüber hinaus um eine General­bassbezifferung ergänzt wurde.
Der vollständige Verzicht auf eine für ein Tasteninstrument ge­setzte Begleitung verweist darauf, dass sich die Edition vorwiegend an professionelle Ausführende richtet, die in der Praxis mit diesen knap­pen Vorgaben umzugehen wissen. Dementsprechend sind auch die ins zweisprachige Vorwort (englisch/ deutsch) integrierten aufführungs­praktischen Hinweise eher margi­nal. Der (nur in engli-scher Sprache vorhandene) Kritische Bericht ist gleichfalls sehr kurz gehalten und beinhaltet lediglich Informationen zu den Korrekturen; eine genauere Beschreibung der als Editions­grundlage benutzten Quellen fehlt jedoch bedauerlicherweise.
Stefan Drees