Jakob Dont
24 Vorübungen/ Études et Caprices
24 Vorübungen zu den Etüden von Kreutzer und Rode für Violine solo op. 37/ Études et Caprices für Violine solo op. 35, beides hg. von Dominik Rahmer
Der Wiener Violinpädagoge Jakob Dont (1815-1888), der auf eine mögliche Karriere als Solist ver- zichtete, um sich ganz dem Unterrichten zu widmen, zählt nach den Erinnerungen von Hans Flesch zu denjenigen, die den von Joseph Joachim bewirkten „epochemachenden Wandel des Virtuosentums in ethischer und musikalischer Hinsicht“ mit der maßgeblichen „Förderungen des rein Geigentechnischen“ eingeleitet und bewirkt haben. Donts Unterrichtswerke, darunter ganz beson- ders op. 35 (1840) und op. 37 (1852), empfahlen seinerzeit etwa Joachim, Wieniawski oder Sarasate. Noch heute gehören sie zu den vielfach bewährten Studienwerken für fortgeschrittenes Geigenspiel. Entsprechend häufig wurden sie nachgedruckt oder neu herausgegeben – zumeist jedoch mit Veränderungen, die eben nicht nur Dont vornahm.
Die Überlieferung dieser beiden Sammlungen hat dankenswerterweise Dominik Rahmer rekonstruiert, und er legt geradezu mustergültig mit diesen beiden Heften jeweils die Fassungen „letzter Hand“ vor, die Dont ihnen gab und die Rahmer mit seinen beigefügten dreisprachigen (deutsch, englisch, französisch) Einleitungen und den Kritischen Berichten (deutsch und englisch) erfreulich konzis und doch umfassend-gründlich begründet.
Zudem fügt Paul Roczek spieltechnische Hinweise (Fingersätze, Bogenstriche, allgemeine Hinweise zum Üben) zur Ausgabe von op. 37 hinzu, während Antje Weithaas solche zu op. 35 beisteuert – selbstverständlich gekennzeichnet als Zutaten nicht aus Donts Hand. In diesen Zusätzen spiegelt sich auch der spieltechnische Fortschritt seit Dont wider. Der vorzüglich gedruckte Notentext ist mit auszuklappenden Seiten so eingerichtet, dass während des Spielens nicht umgeblättert werden muss.
“Die Vorübungen” führen keineswegs, wie der Werktitel vermuten lässt, musikalisch in die berühmten Kreutzer- bzw. Rode-Studienwerke ein oder paraphrasieren sie. Vielmehr greifen sie analoge spieltechnische Probleme auf und gestalten sie etwas systematischer aus. Ähnliches gilt auch für die “Études et Caprices”, die über das spieltechnische Niveau Kreutzers und Rodes freilich hinausgehen und es konsequenter und gründlicher ausbauen und durchaus auch differenziertere Bogenführungen oder Fingersätze einüben: etwa das Trillern mit dem 4. Finger, das Legatospiel in Doppelgriffen mit Saitenwechseln, die präzise Intonation bei Terzen- und Sexten-Folgen, das Abstrecken des 1. Fingers bzw. Strecken des 4. Fingers, ohne die jeweilige Lage zu verlassen, oder Fingersätze bei chromatischen Skalen.
Über solchen technischen Fragen vernachlässigt Dont keinesfalls einen musikalisch ansprechenden Gehalt der Etüden ohne Pedanterie oder geistlosen Drill. Dem Resümee von Paul Roczek ist nichts hinzuzufügen: „Gut und sorgfältig geübt, verhelfen sie zu einer klaren, sauberen Technik und einem sicheren Lagengefühl in der linken Hand sowie zu einer flexiblen Bogenführung und der Beherrschung der wichtigsten Stricharten.“
Giselher Schubert