Gabriel Pierné, Claude Debussy, Ernest Chausson

Französische Sehnsucht

Facetten des Impressionismus für Violoncello und Klavier. Duo Avad

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 12/2021 , Seite 82

An sich macht das Äußere der CD-Hülle mit dem stimmungsvollen Bildausschnitt von Claude Monets Regatta bei Argenteuil schon etwas her und lädt zum Kauf ein. Zusätzlich weist der verheißungsvolle Titel Französische Sehnsucht assoziativ und erwartungsvoll auf den musikalischen Inhalt und impressionistischen Lebensstil hin. Das Duo Avad mit der Pianistin Rieko Yoshizumi und dem Cellisten Clemens Krieger suchte sich hierfür 17 Werke aus, darunter Originalkompositionen für Klavier und Cello sowie einige Stücke, die arrangiert wurden.
Und so präsentiert die CD französische Komponisten, deren Le-bensdaten – zwischen 1835 geboren und 1937 gestorben – in die relativ kurze Periode des französischen Impressionismus fallen oder diesen typischen musikalischen Stil ausstrahlen. Zudem waren sie alle miteinander befreundet oder standen in enger Schüler-Lehrer-Beziehung. Darunter finden sich klingende Namen wie Claude Debussy, Ernest Chausson, Louis Vierne und Gabriel Pierné. Dazu treten Komponisten wie Gabriel Fauré, Maurice Ravel und Lili Boulanger, und der
„Schwan“ aus dem Karneval der Tiere von Altmeister Camille Saint-Saëns – vielleicht nicht unbedingt ein typischer Repräsentant des französischen Impressionismus – beschließt den musikalischen Reigen.
Bei dieser vielversprechenden Komponistenauswahl ist die Erwartung an alle Stücke also sehr hoch.
Es zeigt sich jedoch, dass das erwartungsfiebernde Ohr nicht 75 Minuten lang gebannt werden kann. Bald nimmt die Aufmerksamkeit ab, man hört sich ein, nimmt aber die Stücke im Einzelnen kaum mehr wahr, weil sie sich in Tempo und Spannungsverlauf oft nur minimal unterscheiden.
Der durchgehend gleichen Besetzung geschuldet ist das Klangbild trotz der Verschiedenheit der ausgewählten Stücke eher monochrom als leuchtend und pointillistisch. Beide Musiker spielen wirklich sehr ambitioniert und professionell, doch gelingt Clemens Krieger sein breiter Bogenstrich nur wenig nuanciert. Insgesamt versprühen die Piècen eher eine lockere Nonchalance, atmen eine gewisse Unverbindlichkeit, sind fast nur tönender Hintergrund. Die wirklichen „Renner“ kommen gegen Ende: zwei Stücke aus Faurés Dolly Suite op. 56, nämlich „Le Jardin de Dolly“ und „Le Pas Espagnol“, und schließlich noch der erwähnte „Schwan“.
Die erst 1928 komponierten 5 Stücke op. 56 von Louis Vierne fallen zeitlich ein wenig aus dem Rahmen und gehören nicht mehr unbedingt zum impressionistischen Denken, sondern passen vielleicht eher noch in die Epoche des musikalischen Art déco. Wirklich bemerkenswert, weil bislang ungehört, ist allerdings das eigens vom Cellisten arrangierte Stück D’un soir triste von Lili Boulanger, der Schwester von Nadia Boulanger. Sie ist die einzige Komponistin auf der CD.