Jean-Louis Duport

21 Etüden für Violoncello

hg. von Norbert Gertsch, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2021
erschienen in: das Orchester 10/2021 , Seite 72

Obwohl mittlerweile über 200 Jahre alt, zählt das Etüdenwerk des französischen Cellisten Jean-Louis Duport (1749-1819) nach wie vor zur Grundausstattung des fortgeschrittenen Cellounterrichts. In diesen 21 Etüden spiegelt sich die avancierte Cellotechnik des späten 18. Jahrhunderts bis hin zur Beethoven-Zeit wieder. Beethoven selbst lernte Duport und dessen cellospielenden Bruder Jean-Pierre 1796 am preußischen Hof kennen und ließ sich von ihm zu seinen Cellosonaten op. 5 inspirieren.
Mögen spätere Virtuosen wie Friedrich Grützmacher oder David Popper in ihren Etüden noch höhere Gipfelkreuze erreicht haben, so kommt Duports Exercises vor allem mit Blick auf das Repertoire des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts besondere Bedeutung zu. Im Übrigen herrscht in ihnen nicht nur die etüden-immanente Pflichterfüllung, technische Probleme gezielt zu behandeln, sondern durchweg musikantischer Geist und Sinn für originelle Themen.
Die vorliegende Urtextausgabe der Exercises dans différents tons Majeurs et Mineurs basiert auf der Pariser Erstausgabe des Verlags Janet et Cotelle (1812). In der Tat sind die 21 Duport-Etüden nach Tonarten geordnet: Vom Ausgangspaar F-Dur/f-Moll geht es zunächst in Quinten aufwärts, später abwärts, wobei nur drei Tonarten – fis-Moll, cis-Moll, gis-Moll – ausgespart bleiben. Ursprünglich bildeten diese Etüden das Schlusskapitel eines Grundlagenwerks, in dem Duport wesentliche Fragen rund um sein Instrument diskutiert. Kein Geringerer als Johann Friedrich Reichardt lobte 1806 in der Berlinischen Musikalischen Zeitung diesen „Essai“ mit den Worten, Duport habe sich das Verdienst, „seine Erfahrungen und Entdeckungen auf bestimmte Regeln zu bringen und aus all dem mannigfachen Einzelnen ein zusammenhängendes System hervorzubringen, […] in hohem Grade erworben“.
Die Textunterschiede zur heute noch käuflichen, von Grützmacher bezeichneten Peters-Ausgabe sind beträchtlich. Sie betreffen viele Details der Artikulation und Bogensetzung, aber auch der Noten selbst. Vor allem enthält die Neuausgabe in einem separaten Heft die begleitende 2. Stimme, die in der Peters-Ausgabe gänzlich fehlt. In dieser ursprünglichen Duett-Form entfalten die Etüden nochmals zusätzlichen Reiz, es entsteht eine inspirierte Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler.
Die Henle-Ausgabe gibt alle Duport’schen Fingersätze originalgetreu wieder, zusätzliche Bezeichnungen und Hinweise durch den Cellisten Wolfgang Emanuel Schmidt sind als editorische Zutaten gekennzeichnet. Zwei der 21 Etüden entstammen der Feder Jean-Pierre Duports. Diese enthalten interessanterweise keine Originalfingersätze – leider, denn es wäre für uns spannend nachzuvollziehen, wie sich virtuose Cellisten der damaligen Zeit der wundervollen suggerierten Zweistimmigkeit der Adagio-Etüde Nr. 8 angenähert hätten.
Kritischer Bericht und informatives Vorwort ergänzen den vorzüglich präsentierten Notentext zu einer editorisch „runden Sache“.
Gerhard Anders