Thoma, Xaver Paul

2. Konzert für Violoncello und Orchester

op. 178 (xpt.) Partitur/Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ikuro, Stuttgart 2014
erschienen in: das Orchester 03/2016 , Seite 73

Der erste Blick stolpert über drei kleine Buchstaben: xpt ergänzt die Opus-Nummer. xpt: Das steht für Xaver Paul Thoma. Dieser kleine höchstpersönliche wie ungewöhnliche Zug bei der Titelgestaltung seiner Kompositionen passt gut zu Xaver Paul Thoma. In eine Schublade, und
sei sie auch noch so groß, lässt sich Thoma nicht so schnell stecken. Er, der im Bayreuther Festspielorchester genauso zu Hause ist wie in der Badischen Staatskapelle, ist weder ein komponierender Bratschist noch ein Bratsche spielender Komponist. Komponieren und Musizieren sind die beiden Pole in seiner Persönlichkeit. Seine intime Sicht ins Orchester hinein und über das Notenpult hinaus prägt auch diese Auftragskomposition der Stuttgarter Staatsoper, die seinem Kollegen am Cello, Francis Gouton, gewidmet ist und vom Chef der Staatsoper, Sylvain Cambreling, vor gut einem Jahr in Stuttgart zur Uraufführung gebracht wurde.
„Unvollendete“ stand als Motto über dem Konzert in der Stuttgarter Liederhalle. Hinterlässt dieses Konzert in einem Satz also einen offenen, nicht ausgereiften Eindruck? Nein, das wohl kaum! Aber Thomas 356 Takte gleichen einem tastenden und suchenden Weg nach dem ureigenen Klangkosmos. Seine Sprache ist nicht polternd, bricht keine Brücken ab; eher scheint da die spätromantisch verklärte Vergangenheit noch einmal aufzuleuchten. Hier zeigt sich der Orchesterpraktiker Thoma, der aus einem viertönigen Motiv einen ganzen Kosmos aufbaut. Auch wenn Michael Gielen zur Musik Thomas einmal bemerkte, so könne man im 21. Jahrhundert nicht schreiben, so ist doch seine Musik Ausdruck einer genauen und persönlichen Auseinandersetzung mit dem klassisch-romantischen Erbe – und immer vom Klang her gedacht.
Und dafür hat der im badischen Haslach geborene Komponist sein Orchester reich verstärkt. Bassklarinette, Basstrompete und Kontrafagott sorgen fürs tiefe Fundament, neben das Klavier gesellen sich Celesta und Harfe und für einen exotischen Einschlag sorgt die Mundharmonika. Doch trotz des reichhaltigen Instrumentariums bleibt das Konzert eher leise. Thoma sucht einen spannenden, ungewöhnlichen, aber durchhörbaren Klang. Da beginnt das Cello mal den Dialog mit der Posaune, dann wieder kontrastieren pointierte Bongoschläge das Soloinstrument. Den Einsatz des vollen Orchesters hört man selten. In den leisen, aber charaktervollen Zwischentönen findet Xaver Paul Thoma seinen Ausdruck. Typisch ist da der leise und verhallende Schluss dieses knapp halbstündigen Konzertsatzes: Kein furioser Paukenschlag markiert das Ende; leise, sehr leise und sehr langsam verklingen Cello, Mundharmonika und Schlagwerk. Unvollendet wirkt dieses Konzert bei Weitem nicht, doch es nimmt seine Hörer mit auf die Suche nach der Vollendung. Und insoweit passte das Motto der Uraufführung irgendwie ja doch.
Markus Roschinski