Pēteris Vasks

2. Bläserquintett „Musik für einen verstorbenen Freund“

Partitur und Stimmen

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 6/2022 , Seite 70

Bereits 1982 ist das zweite Bläserquintett des lettischen Komponisten Pēteris Vasks entstanden. Nun liegt es in einer Neuausgabe komplett mit Partitur und Stimmen beim Schott-Verlag vor, während bislang eine Studienpartitur in der Reihe Exempla nova des Hamburger Sikorski-Verlags erhältlich war.
Vasks schrieb dieses einsätzige Bläserquintett für die um eine alternierende Altflöte erweiterte Standard-Besetzung. Zudem wird von den Ausführenden auch der Einsatz der Singstimme vorgeschrieben. Vasks verwendet in seinen Werken neben exakt notierten Abschnitten frei-rhythmische Gestaltungen, die auf frühe Einflüsse polnischer Komponisten wie Witold Lutosławski und Krzysztof Penderecki zurückgehen – Komponisten, deren Werke allein dem 1946 in Lettland geborenen Vasks zu Sowjetzeiten als zeitgenössische Musik zugänglich waren.
So beginnt die „Musik für einen verstorbenen Freund“ aus der Stille heraus „misterioso“ mit variablen Tondauern im Pianissimo mit Liegetönen und einem sich erweiternden Motiv einer kleinen abfallenden Sekunde. Sie führt zu einem modalen, choralartigen Abschnitt mit dominanter kleiner Terz, in dem der Oboen- und Klarinettenpart im Wechsel die Flötenmelodie singend (auf Vokalisen) verstärkt. Der sich anschließende freiere Agitato-Teil erweitert den engen Tonraum nach oben und die Wiederaufnahme des choralartigen Abschnitts führt zu einem ersten Höhepunkt, einem aufschreienden, rhythmisch markanten Klagemotiv in dissonantem Bläsertutti. Diese Gestaltungselemente bilden die Basis für die weitere kompositorische Arbeit, die zu einer Intensivierung im Ausdruck führt. Dies zeigen die Spielanweisungen: „espressivo“ (mit einer klagenden Oboenmelodie), „legero“, „dolcissimo“. Ein Allegro dramatico steigert sich verdichtend in freien Sechzehntelpassagen in allen Stimmen bis zu einem Molto dramatico. Schließlich kommt die Musik zum Erstarren und sinkt in einer glissandierenden Trillerkette herab.
Die Klangfarbe der Altflöte bestimmt mit einer ruhigen, leicht auf- und absteigenden terzbetonten Melodie den Schlussabschnitt, in dem sich wieder die Oboe aus dem sonst sehr einheitlichen Gesamtklang mit einer aufsteigenden Phrase abhebt. Nach einem versetzt einsetzenden, chromatisch fast ins Nichts verlaufenden Abstieg reduziert sich der instrumentale Anteil auf einen tiefen Klarinettenton und die Repetition der Choralmelodie im Horn, das gemeinsam mit der menschlichen Stimme in tiefer Lage den Trauergestus der Musik unterstützt, bis alle Bläser vokal in den Schlussakkord übergehen und im Herabsinken verstummen.
Vasks zweites Bläserquintett ist eine Musik der persönlichen Betroffenheit, die auch von ambitionierten Amateurquintetten mit einiger Erfahrung in moderner Musik realisiert werden kann. Das zehnminütige, gehaltvolle Werk weist keine allzu großen technischen Schwierigkeiten auf und verwendet außer der Flatterzunge im Flötenpart und Glissandi keine weiteren besonderen Spieltechniken. Die Stimmhefte sind zur Erleichterung der Einstudierung großzügig mit Partiturausschnitten ausgestattet.
Heribert Haase