Hofacker, Ernst
1967
Als Pop unsere Welt für immer veränderte
Ein beeindruckend buntes, ein vielgestaltiges Panorama wie auch manch neu justierte Perspektive eröffnet Ernst Hofacker seinen Lesern: Angelegt als Reise, als Trip durch jenes Magical Mystery Year hält die Darstellung einerseits jede Menge sauber recherchierter Fakten bereit zu Musikerpersönlichkeiten, deren Begegnungen, daraus erwachsenen Impulsen für das Gesamtfeld popmusikalischer Entwicklungen sowie wesentlichen gesellschaftspolitischen Implikationen. Andererseits räumt der Autor zugleich auf mit so einigen (innerlich ausgehöhlten) Mythen und Legenden, bürstet jenes Märchen vom Summer of Love and Peace also gleichsam gegen den Strich.
Im Einzelnen führt die Reise von der Hippie-Hochburg San Francisco über Memphis, Woodstock und New York City in das Swinging London und schließlich in die damalige bundesdeutsche Pop-Provinz. Hofacker versteht es dabei, exemplarische Auslösermomente gleichsam in Nahaufnahme zu fixieren. Als da (unter vielen anderen) wären: die unvergessenen Auftritte etwa von The Who, Janis Joplin oder Ravi Shankar beim Festival von Monterey, einem der ersten
inspirierenden Groß-Events der kalifornischen Hippieszene; das spannungsreiche Ineinander von weißem Beat und Black Music (mit deren zwei Gegenpolen Otis Redding und Jimmy Hendrix); die Einflussgröße Pop Art, repräsentiert genauso durch die Lichtfigur Andy Warhol wie durch die von der Formation Velvet Underground praktizierte Haltung der Totalverweigerung; Bob Dylan und seine legendären Sessions im Big Pink; und als Gravitationszentrum schließlich das Stg. Pepper-Album der Beatles (vom Juni 1967) und dessen hörbarer Aufbruch in den musikalischen Fortschritt.
So legt dieses kenntnisreiche Jahresporträt mit seinem analytischen, dabei aber alles andere als kühlen Blick sehr klare Deutungslinien aus: wie das sämtlich (hier erfasste) pop-kulturelle Geschehen immer auch zurückzuführen ist auf historisch-politische Spannungslagen; wie sehr sich politischer Anspruch (einer jugendlichen Gegenkultur) und scheinbare Unschuld der Flower-Power-Philosophie von Anfang an durchdrangen; wie unaufhaltsam indes die Musik ebendieser Gegenkultur in den US-amerikanischen Mainstream-Markt einzog, damit den Professionalisierungsprozess einer Subkultur, ihrer Strukturen und Akteure anzeigend.
Schlichtweg überzeugend auch, wie das alles sprachlich gefasst ist, wie Hofacker die Balance hält zwischen präzisem Bericht und leichtgängigem Erzählton. Sehr stimmig zudem die Pop-Art-inspirierte grafische Gesamtgestaltung und die Ausstattung mit illustrierendem Bildmaterial. Kurzum: ein Buch gemacht für diejenigen, die wissen wollen, was alles auf welche Weise, wann, wo und mit wem genau, warum, vor welchem Hintergrund, mit welchen (ursprünglichen) Intentionen und (deren zeitaktuellen) Folgewirkungen in jenem pop-legendären Jahr 1967 sich zugetragen hat und von daher also zusammenzudenken ist.
Gunther Diehl