Oskar Böhme

150 Jahre Oskar Böhme. Dresden – Sankt Petersburg

Helmut Fuchs (Cornet à Pistons), Lilly Zhang-Sowa (Klavier), Johanna Schellenberger (Harfe), Sebastian Fuchsberger (Tenor)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorophon
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 88

Oskar Böhme

Schon der Vater von Oskar Böhme (1870-1832) war Trompeter und Musiklehrer in der Knappschaftskapelle der Freiherrlich von Burgker Steinkohlenwerke im heutigen Freital bei Dresden. Neben seinen Konzertreisen studierte der junge Böhme Komposition in Hamburg und Berlin, um nach einer Position im Orchester der Budapester Oper seinen Abschluss am Leipziger Königlichen Conservatorium zu machen.

1898 zog er nach Sankt Petersburg und wurde dort Trompeter der Oper. Nach der Oktoberrevolution verlor der zum Ehrenbürger von Sankt Petersburg ernannte Musiker seine Stelle. Er spielte in einem Regiment der Roten Armee, leitete eine Trompetenklasse der Rimskij-Korsakow-Musikschule in Leningrad und kam im Orchester des Großen Dramentheaters unter.

Zum ersten Mal 1930, dann 1935 wurde Böhme während Stalins Verfolgungskampagne festgenommen und danach für drei Jahre verbannt. Auf eine Anklage, in der man ihn der Bildung einer Spionageorganisation beschuldigte, wurde Böhme am 3. Oktober 1938 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Spiegel-Korrespondent Christian Neef beschrieb die biografische Spurensuche nach Böhme in Der Trompeter von Sankt Petersburg.

Die einstündige CD-Hommage beginnt mit einem Standardwerk. Das ursprünglich in e-Moll für Trompete in A komponierte Solokonzert entstand als Fassung mit Klavier für Böhmes Lehrer, den Leipziger Gewandhausmusiker Ferdinand Weinschenk. Heute erklingt das Opus meist wie hier als Einrichtung in f-Moll für Trompete in B von Otto Herbst (1941). Darauf folgt ein üppiger Streifzug durch Böhmes Petitessen, die er mit Genretiteln wie Serenade, Wiegenlied, Souvenir bedachte, und Tänze. Das von dem Tenor Sebastian Fuchsberger feinherb intonierte Lied In süßem Zauber erklingt auch in einem Arrangement der Pianistin Lilly Zhang-Sowa mt Trompete. Dieser „süße Zauber“ erweist sich als absolut ungefährlich.

Helmut Fuchs, Solist der Sächsischen Staatskapelle, führt sein Instrument, das sich im trockenen Studioklang manchmal nicht ganz optimal mit dem „salonhafterem“, geschmeidigeren Klaviergestus verbindet, sicher durch die Stücke. Natürlich geizt Fuchs nicht mit wirkungsvollen Skalen wie getragenen Tönen und natürlich gab Böhme mancherlei Anlässe zu harmonischen Reizwirkungen. Doch – das hat möglicherweise mit dem Atemvolumen der potenziellen Interpreten zu tun – hielt Böhme an liedhaften Perioden und weitgehend schmalen Formideen fest. Auch die Sensibilität Lilliy Sang-Zowas, mit der sie Böhmes Albumblätter dynamisch und delikat durchmischt, bannt trotz Bemühen um Gestaltungsbreite die klangschöne Monotonie nicht ganz.

Von den Fortschreitungen der Kunstmusik um 1900 bleiben die bis etwa 1907 entstandenen Kompositionen Böhmes merklich unberührt. Die Tonträger-Devotionalie von Helmut Fuchs ist ein herzliches Kompliment an den über ein dreiviertel Jahrhundert vor ihm geborenen Kollegen.

Roland Dippel