Marcabru, Tibaut de Champagne, Farabi und andere
1219 – The Saint and the Sultan
Pera Ensemble, Ltg. Mehmet Cemal Yes¸ilçay
1219. Achthundert Jahre ist es her, dass der berühmte Mönch und Gelehrte, der später von der katholischen Kirche heiliggesprochene Franz von Assisi, mit dem islamischen Sultan Al Malik im unterägyptischen Damiette zusammentraf. Diese Begegnung ist historisch belegt und lässt sich in den Zusammenhang des dritten Kreuzzugs einordnen.
Überliefert ist Franziskus’ Entsetzen über die Gräueltaten der Kreuzfahrer bei der Einnahme von Damiette, bei der etwa 100000 Menschen zu Tode gekommen sind. Während der Kriegshandlungen durchbrach Franz von Assisi die Politik des gewaltsamen Gegeneinanders, um vor dem Sultan zu predigen und den Krieg durch Überzeugungskraft zu beenden. Der Sultan ließ sich zwar nicht zum Christentum bekehren, war aber von dem wie ein Sufi gekleideten Mann aus Italien sichtlich beeindruckt. Franziskus forderte für die Zukunft eine friedfertige Präsenz von Christen gegenüber dem Islam und setzte sich damit für einen Religions- und Kulturdialog ein.
Ihn zu dokumentieren und in unruhigen Zeiten wiederzubeleben, hat sich das Istanbuler Pera Ensemble zur Aufgabe gemacht und eine Doppel-CD mit geistlicher Musik beider Religionen, so wie sie etwa am Hof des Stauferkaisers Friedrich II. in Palermo gepflegt worden ist, herausgegeben.
Dem Ausspruch des islamischen Mystikers Rumi „Musik ist die Sprache Gottes“ gemäß werden mystische Sufilieder für den Frieden und Lauden aus der sakralen Musik des Christentums nebeneinander gestellt. Im Ergebnis ist großenteils eine Ähnlichkeit im Klangbild bis in die Einzelheiten der ornamentalen Melodieführung zu bestaunen, etwa in dem Beispiel Hasbi Rabi Celallah und dem auf der ersten CD folgenden und aus der toskanischen Stadt Cortona stammenden Laudar Vollio. Die Laute als zentrales Instrument der Zeit findet, mit den Kreuzfahrern aus dem Nahen Osten kommend, auch in Süd- und Westeuropa ihren Platz. Entsprechend wird man zu einem Vergleich etwa der Instumentation und tänzerischen Rhythmik der Sufilieder Entel Hadi Entel Hak und Talaal Badru Aleyna mit der Lauda Sia Laudato eingeladen, im 13. Jahrhundert aufgeführt jeweils bei Versammlungen der Derwische bzw. von christlichen Gläubigen in Kirchen und Klöstern. Immer wieder regt die Zusammenstellung der Stücke auf beiden CDs zu erstaunlichen Erfahrungen von Parallelitäten an.
Musik fungierte aber auch als Propagandainstrument. Als eindrückliches Beispiel dafür wird an den Anfang der ersten CD das Kreuzzugslied „Deus lo vult“ („Gott will es“) des aus der französischen Gascogne stammenden Marcabru gestellt. Der Initiator der Kreuzzüge Papst Urban hatte1095 diese Losung ausgegeben.
Im ausführlichen und ansprechend bebilderten zweisprachigen (deutsch/ englisch) Booklet ist jedes Stück ausführlich und detailliert beschrieben, Kommentare zur Aufführungspraxis sowie zur Stellung von Musik im Christentum und dem sufischen Islam kommen ergänzend hinzu.
Sowohl die musikalische Ausführung durch das Pera Ensemble als auch die technische Qualität der Aufnahme befinden sich auf höchstem Niveau.
Karim Hassan


