Saarländischen Staatstheater (Hg.)
100 Jahre Saarländisches Staatsorchester
mit CD
Gemessen an den 450 Jahren der Dresdner Staatskapelle sind die 100 Jahre, die seit der Gründung des Staatsorchesters Saarbrücken vergangen sind, zwar relativ kurz. Aber die sehr interessante, informative und lebendig gestaltete Festschrift, die anlässlich des Saarbrücker Jubiläums erschienen ist, schildert eine bewegte Orchestergeschichte, in der bedingt durch die Zeitläufe in relativ kurzer Zeit viel geschehen ist. Bei allen künstlerischen Erfolgen und anerkennenswerten Leistungen, die hier genügend gewürdigt werden, zeichnen die Autoren der Festschrift, zu denen auch der Orchesterfagottist Stephan Weidauer gehört, ein sehr differenziertes Bild der Entwicklung, bei dem die vielen Schwierigkeiten deutlich werden, die es zu überwinden galt, bis dem Orchester 1993 endlich die Orchesterkategorie A zuerkannt wurde.
Angefangen bei den sozialen Bedingungen heutzutage so völlig inakzeptabel! wird die Orchesterentwicklung lebendig nachvollzogen, die infolge der Randlage des Saarlands unmittelbarer als diejenige vieler vergleichbarer Klangkörper von den politischen Entwicklungen betroffen war. Die zweimalige Besatzungszeit durch Frankreich 1918 bis 1935 und 1945 bis zum Beitritt zur Bundesrepublik 1957 zweimal entschied die Bevölkerung per Abstimmung gegen einen Verbleib bei Frankreich war auch für das Orchester prägend. Die Auswirkungen des Nazi-Terrors, der nicht nur zur Vertreibung des jüdischen Chefdirigenten Felix Lederer führte, wird ebenso nachgezeichnet wie die beachtlichen künstlerischen Erfolge des Klangkörpers, das Engagement der Orchestermusiker, die in Oper und Konzert eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Aufgaben zu bewältigen haben. Neben seinen Opern- und Konzert-Aufgaben, die das Saarbrücker Staatsorchester wahrnimmt, sind auch die kammermusikalischen Aktivitäten vieler seiner Orchestermusiker erwähnenswert, und auch die Tatsache, dass dort schon Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis zum Tragen kamen, als dies im Orchesteralltag in Saarbrücken noch keine Rolle spielte, geradezu verpönt war
Bemerkenswert ist die Wagner-Tradition des Staatsorchesters, die, unterstützt vom rührigen Wagnerverband, nicht nur in den 1970er Jahren viele bayreutherfahrene Künstler ins Saarland führte und nachhaltig zum Ruf der Oper beitrug.
Manch bedeutender Dirigent wie Siegfried Köhler oder Jirí Kout, die das Orchester prägten, konnten zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtung nach Saarbrücken schon auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Beachtenswert ist jedoch auch, wie viele junge Dirigenten in Saarbrücken ihre ersten, sicher nicht immer unproblematischen Erfahrungen in einer Chefposition machten wie beispielsweise Christof Prick, Juan Märkl oder von 2006 bis 2009 Constantin Trinks. All diese Dirigenten machten später auch international auf sich aufmerksam oder stehen (wie im Fall von Trinks trotz dessen erzwungenen Abschieds als Darmstadts GMD) vor einer Karriere. Die Auszüge aus Bartóks Konzert für Orchester auf der beigefügten CD sind von Trinks geleitet. Mehrheitlich finden sich auf dieser CD jedoch
Interviews mit Orchestermitgliedern. Längere Tonbeispiele hätten die sehr informative Festschrift sinnvoll ergänzt.
Walter Schneckenburger