Eckehard Czucka/Sascha Wienhausen (Hg.)
100 Jahre Instrumental- und Vokalpädagogik in Osnabrück 1919-2019
2 Bde., im Schuber
Ob „Städtisches Konservatorium“, „Städtisches Musikschulwerk“ oder – nach struktureller Neuausrichtung – Fachhochschule: Die Bezeichnungen der Institution mögen wechseln, ihre Aufgabe bleibt, nämlich die der Vermittlung lebendigen Musizierens im weitesten Sinn.
Eine Aufgabe, der sich das (heutige) Institut für Musik (IfM) als eine der fünf Fakultäten der Hochschule Osnabrück seit hundert Jahren intensiv widmet. Diese hundert Jahre wurden in 2019 ausgiebig gefeiert und Ende 2019 erschien eine zweibändige Jubiläumsschrift. Einerseits mit zu erwartenden Beiträgen zur wechselvollen Geschichte, die sich erfreulicherweise auch ausgiebig mit der Zeit während der Nazi-Diktatur beschäftigen.
Andererseits kümmern sich weitere Aufsätze um Gegenwart und Zukunft dessen, was den Hochschulstandort Osnabrück besonders auszeichnet: die Studiengänge Pop, Jazz, Musical und Klassik. So verweist Barbara Hornberger auf die breit angelegten Kompetenzen der Absolventen der Pop-Studiengänge, die nicht im akademischen Elfenbeinturm leben, sondern sich durchaus mit kommerziellen Marktstrukturen und aktuellen künstlerischen Strömungen an der Basis auskennen und an deren Entwicklung mitarbeiten. Harald Kisiedu macht am Beispiel des Jazzmusikers Peter Brötzmann deutlich, wie Grenzüberschreitungen schon vor mehr als fünfzig Jahren interkulturelle Begegnungen ermöglicht und gefördert haben.
Die „Metamorphosen der Musicalszene“ skizziert Kevin Clarke, der sich (zu Recht) über ein Revival jener Musicals und auch Operetten freut, die viel zu lang in der Versenkung verschwunden waren und deren gesellschaftspolitischen Hintergründe heute (wieder) in neuem Licht erscheinen. Lena Haselmann macht sich Gedanken um Vergangenheit und Zukunft einer guten Vokalpädagogik mit den Mitteln und unter Berücksichtigung der Erfordernisse des 21. Jahrhunderts. Silke Lehmann schließlich beschreibt die Herausforderungen, der sich die Elementare Musikpädagogik angesichts der demografischen Entwicklung, also des zunehmend steigenden Lebensalters zu stellen hat, will sie Menschen im hohen Alter das Musizieren als Möglichkeit der Identitätsstiftung anbieten. So viel zu diesem höchst informativen und anregend zu lesenden Band 1 der Festschrift.
Band 2 ist ein enorm wertvolles Zeitdokument aus dem Sommer 1941, in dem die „Osnabrücker Spielschar“ mit rund 30 Kindern zur Truppenbetreuung nach Frankreich geschickt wurde, wo die deutschen Soldaten „bei Laune“ zu halten waren. Gertrud Siebel hat es als damals 17-Jährige verfasst, nicht für sich persönlich, sondern für die Gruppe. Und mit 94 Jahren hat die Verfasserin ihren Erlebnisbericht 2018 völlig überraschend dem Institut für Musik zukommen lassen. Man muss wissen: Einblicke in das Tun derartiger „Spielscharen“ sind selten. Und hier sind sie authentisch – eine Fundgrube für Historiker, Musikwissenschaftler und alle, die auf diesem Gebiet forschen.
Christoph Schulte im Walde