Schurig, Wolfram

…vom gesang der wasserspeier…

(2008–2010) für Klavier und Ensemble, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Gravis, Berlin 2012
erschienen in: das Orchester 07-08/2013 , Seite 70

Der Komponist widmet sein Stück Charles Darwin. Schurigs Idee war es, eine musikalische Entsprechung zur stammesgeschichtlichen Herkunft von Lebewesen zu entwickeln, die nur in der menschlichen Fantasie existieren. Die momentane Beschaffenheit musikalischer Elemente soll hier ins Verhältnis zu ihrer ursprünglichen Gestalt gerückt werden – dabei geht es sowohl um einzelne Klangmerkmale als auch um musikalische „Geschöpfe“ im Ganzen.
Für Interpreten und Hörer bedeutet das, die musikalische Entwicklung unter dem Aspekt der sukzessiven Veränderung und „Evolution“ der musikalischen Elemente zu betrachten. Gut wahrnehmbar ist dies beispielsweise am markanten Anfang des Stücks, der von Klavier und Posaune im Duett bestritten wird. In kleingliedrigen Gesten dialogisieren die Instrumente in Basslage. Die Anfangsmotivik wird dabei über eine längere Strecke beibehalten und transformiert bzw. auf verschiedene Dauern gedehnt und gestaucht.
Das gut durchhörbare Werk besteht aus einer Abfolge charakteristischer Klangbilder, deren Spektrum von dichten Klangschichtungen bis zu ausgedünnten, solistischeren Episoden reicht. Von besonderem Reiz ist dabei beispielsweise die Duopassage Glockenspiel und Klavier in Diskantlage. Viele Szenen sind vom Klangteppich der Streicherglissandi getragen, die flächig atmosphärisch den Hintergrund besetzen. Die Bläser übernehmen eher einen aktiven, energetisierenden Part und interagieren in ähnlichem Duktus mit dem Klavier. Das Klavier bestimmt das Geschehen im Vordergrund und spielt zumeist staccatoartig trockene, virtuose Strukturen mit aufforderndem Gestus, die andere Aktionen im Ensemble auslösen. Unregelmäßige rhythmische Abfolgen transportieren das natürliche, organische und unvorhersehbare Werden und Verändern der Formen. Pulsierend naturhaft wechseln nervöse Episoden sich mit ruhigen Passagen ab, wobei jeder einzelne Abschnitt recht kurz gefasst ist.
Das zwischen 2008 und 2010 entstandene Werk für Klavier und Ensemble wurde bereits fünfmal aufgeführt. Es wird vom Verlag zu Recht als Klavierkonzert bezeichnet, denn das Klavier steht im Mittelpunkt und das Stück erweist sich in erster Linie als pianistisch, aber auch ensembletechnisch hoch anspruchsvoll.
Der Komponist Wolfram Schurig, Jahrgang 1967, ist gebürtiger Österreicher und ursprünglich Blockflötist. Er ist Gründungsmitglied mehrerer Alte-Musik-Ensembles. Schurig war Kompositionsmeisterschüler bei Helmut Lachenmann, seit den 1990er Jahren gibt es regelmäßig Aufführungen seiner größtenteils kammermusikalisch besetzten Werke in Zusammenarbeit mit namenhaften Ensembles Neuer Musik, beispielsweise dem Klangforum Wien und dem Ensemble Recherche.
Anja Kleinmichel

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