Ute Grundmann
„Die Politik muss endlich etwas ändern“
Das Theater Eisleben leidet unter Kürzungen und an den Folgen verfehlter „Kulturwerk“-Pläne
Ulrich Fischer, seit fast 30 Jahren Intendant des Theaters Eisleben, erlebt und erleidet den kulturellen Abbau im ländlichen Raum seitdem mit. Trotzdem hofft er, dass Wert und Wichtigkeit der Kultur für die ganze Gesellschaft wieder mehr anerkannt werden.
„Als ich hier anfing, zu Beginn der 1990er Jahre, gab es mehr als 200 Mitarbeiter, heute sind es noch 40. 1993 wurde das Musiktheater abgeschafft, das Orchester und ein kleines Ballett, da waren wir noch 90 Leute. Heute gibt es am Theater eine Schneiderin, einen Maler, einen Tischler, eine Ankleiderin, einen Requisiteur, zwei Beleuchter, zwei Tontechniker.“ Krank werden darf da niemand und ein regulärer Theaterbetrieb lässt sich nur aufrechterhalten, wenn alle sich gegenseitig helfen. Ulrich Fischer, seit 30 Jahren Intendant der 1956 als Thomas-Müntzer-Theater eröffneten Bühne in Lutherstadt Eisleben, hat den Kulturabbau im ländlichen Raum leibhaftig und leidvoll miterlebt: „Irgendwas mit Geld war hier immer.“ Aber inzwischen sei man „so weit runtergerechnet, dass es nicht mehr geht“.
Heftigen Anteil daran hatte Stephan Dorgerloh, damals Kultusminister in Sachsen-Anhalt. Mitte 2013 setzte er in Halle und Dessau kräftig den Rotstift an (jeweils drei Millionen Euro weniger), an die damalige Landesbühne in Lutherstadt Eisleben ging er mit der Axt ran: von 1,278 Millionen Euro Landesförderung auf Null. Und die Bühne sollte nicht mehr sein, was sie immer war: Aus dem Theater sollte das „Kulturwerk MSH“ (Mansfeld-Südharz) werden, irgendwas mit kultureller Bildung für Kinder und Jugendliche, so genau weiß das bis heute keiner. Dafür garantierte das Land bis 2018 400000 Euro pro Jahr, allerdings aus dem Topf „Kulturelle Bildung“. Aber man musste sich auch um einzelne Projektförderungen bemühen, zum Thema Umwelt etwa, ein Bürokratieaufwand, für den es eigentlich einen eigenen Mitarbeiter brauchte, den man nicht hatte.
Politiker hörten nicht zu
Die damaligen Träger (der Landkreis Mansfeld-Südharz, die Städte Eisleben und Hettstedt) aber wollten ihr Theater behalten, es gab Proteste in allen von den Kürzungen betroffenen Städten. Und die Theatermenschen brachten so viele Stimmen zusammen, dass sie Rederecht im Magdeburger Landtag bekamen. Daran erinnert sich Ulrich Fischer eher mit Grausen: „Unser Sprecher hat das sehr schön gemacht, auch emotional. Aber wenn man dann in die Abgeordnetenränge guckte, waren die nicht da, waren weggegangen oder haben geschwatzt – die haben nicht mal zugehört. Da soll man dann den Glauben an die Demokratie behalten, dass es so wenig Widerhall findet, wenn jemand fordert, Kultur zu erhalten. Da wird’s einem wirklich übel.“ Für Ulrich Fischer ist das bis heute „ein traumatisches Erlebnis“.
Aber so engagiert der Intendant und Regisseur für sein Haus ist, guckt er natürlich über den Bühnenrand hinaus. Und da gibt es im Landkreis Mansfeld-Südharz (MSH) „viele kleine Museen, wo es meist keinen Fachmann mehr gibt, die zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig haben“. Als nur einige Beispiele nennt er das Mansfeld-Museum im Schloss Burgörner in Hettstedt, das Caroline und Wilhelm von Humboldt gehörte, das Schloss in Oberwiederstedt, wo Novalis geboren wurde, das Museum Molmerswende, das an den Balladendichter Gottfried August Bürger erinnert. „Die sind alle chronisch unterfinanziert, können keine neuen Ausstellungen machen.“ Deshalb sieht er es positiv, dass der Landkreis einen Museums-Verbund gegründet hat, mit einem Experten, der sich um all die kleinen Museen kümmert. Auch die gemeinsamen Veranstaltungen von Museen und Theater brächten für beide Seiten Gewinn, „und wenn wir in einem Ort eine kleine Freilichtbühne entdecken und dort eine Münchhausen-Lesung machen, schließt sich da ein Dorffest an“. Natürlich kommen zu solchen Veranstaltungen nicht hunderte Besucher, „aber die haben alle ihr Stammpublikum. Das sind so kleine Pflanzen, die man erhalten muss.“ Es gehe, nicht nur für sein Theater, immer wieder darum, wahrgenommen zu werden, „dass der Bürger sich freut und sagt, da kommen die vom Theater“.
Die Menschen wollen ihr eigenes Theater
Das sehen viele Politiker offenbar anders, so die Erfahrung auch von Ulrich Fischer. „Man wird den Eindruck nicht los, man hört es auch, dass Politiker sagen, sollen die Menschen doch nach Halle ins Theater fahren oder die Musikliebhaber nach Leipzig.“ Das werde aber nicht passieren, da gebe es viel Unwissen auf Seiten der Politik. Da dominiert häufig die Auffassung, im ländlichen Raum, in der sogenannten Provinz, reiche ein Bespieltheater völlig aus, an dem mal ein Tourneetheater Station mache oder die Bühne einer größeren Stadt. „Es gibt Städte, wo das funktioniert, aber nicht bei uns. Die Menschen wollen ein eigenes, ihr Ensemble. Bei Gastspielen sinkt die Nachfrage sofort. Und das ganze Kinder- und Jugendtheater, nicht nur zu Weihnachten, das kann keiner einkaufen.“
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