Lemba, Artur
Poem d’amour
für Streichorchester, Partitur
Beim Stichwort Baltikum kommen dem Musikkenner heute vor allem zeitgenössische Komponisten in den Sinn. Besonders Estland scheint auf der Avantgarde-Landkarte eine herausgehobene Stelle einzunehmen. Doch Komponisten wie Arvo Pärt oder Erkki-Sven Tüür konnten und können sich durchaus auf eine ganze Reihe von Musikern berufen, die bereits Ende des 19. und früh im 20. Jahrhundert estnische Musikgeschichte geschrieben haben. Komponisten wie Heino Eller oder Rudolf Tobias widmet die Eres Estonia Edition seit einigen Jahren ihre Aufmerksamkeit und macht dabei so manchen musikalischen Schatz zugänglich, der mehr ist als eine Fußnote in der Musikgeschichte eines traditionsreichen Landes.
Zu den Vätern der estnischen Musik gehört Artur Lemba. In Tallinn geboren und bei Nikolai Rimskij-Korsakow in die Lehre gegangen gilt Lemba als der Schöpfer der ersten Sinfonie in der Geschichte des kleinen Estland. Doch nicht die Partitur dieser Sinfonie, sondern ein kleines, aber feines “Poem damour” steht im Blickpunkt einer der jüngsten Veröffentlichungen der Eres Edition. Ursprünglich wurde dieses Salonstück für Violine und Klavier komponiert, für die hier vorliegende Notenausgabe richtete Ülo Krigul das kurze Stück für Solo-Violine und Streichorchester ein.
Die Übertragung der Klavierstimme auf ein Streichorchester unterstützt den luftigen und leichten Charakter des Poem damour. Die weit aufgefächerten Streicher (ungewöhnlicherweise mit zwei Violoncello-Stimmen) bilden dabei einen schön fließenden, entspannt bewegten Hintergrund für die gesanglich ausschwingende Violinstimme, die sich ohne Druck entfalten kann. Schon das Partiturbild (Stimmen sind bei der Eres Edition ebenfalls erhältlich) macht die Transparenz deutlich, auf die das kleine Werk gerade auch in der Fassung von Ülo Krigul setzt.
Aufgrund des nur mäßigen Schwierigkeitsgrads sowohl in der Orchesterbegleitung als auch in der Solostimme sollte dieses nur wenige Minuten dauernde Poem damour von Artur Lemba eigentlich viele Anhänger finden können. Und weil sich das schlichte, sehr übersichtliche und unprätentiöse Stück noch dazu durch eine große Eingängigkeit auszeichnet, dürfte es auch beim Publikum kaum auf Einwände stoßen.
Daniel Knödler