Verdi, Giuseppe / Joseph Haydn / Wolfgang Amadeus Mozart
Messa da Requiem / Symphony No. 26/Lamentatione / Kyrie K. 341
Die Zusammenstellung dieser drei Werke ist nicht so willkürlich, wie sie zunächst erscheinen mag. Haydns d-Moll-Sinfonie, sein erstes dunkler gefärbtes, nicht in Dur stehendes Orchesterwerk, das gregorianische Melodien verarbeitet, die zu den Lamentationen der Karwoche gehören, und Mozarts Kyrie in der gleichen Tonart, das (nicht genau datierbar) in seiner Reife- oder sogar in seiner Spätzeit entstanden ist, passen sich stimmig der liturgischen Herkunft und Funktion des Requiems an. Das ausgezeichnete SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter der hellhörig differenzierten Leitung Sylvain Cambrelings interpretiert die Haydn-Sinfonie in einer wirkungsvollen Symbiose aus frühklassischer Durchsichtigkeit und eindringlicher Darstellung des intendierten Affekts der Trauer. Das Gleiche gilt für die Wiedergabe des expressiven Kirchenwerks Mozarts. Überzeugend präsentiert sich hier das SWR Vokalensemble Stuttgart in der Einstudierung von Marcus Creed. Es lohnt sich, das knapp siebenminütige, rein chorische Kyrie, das also keine Solopassagen enthält und das nur selten zu hören sein dürfte, in dieser gelungenen Aufnahme kennen zu lernen.
Nicht ganz so homogen ist der Eindruck von Verdis Requiem, dem tragenden Werk der Einspielung. Es ist übrigens die zweite auf dem Musikmarkt innerhalb kurzer Zeit nach der von Semion Bychkov (siehe die entsprechende Rezension in das Orchester 12/08, S. 67). Aufführungen dieses Werks bewegen sich unvermeidlich im Spannungsfeld zwischen geistlicher Substanz inhaltlich ebenso wie musikalisch und opernhaften Elementen, die sich immer wieder anzubieten scheinen, auch wenn Verdi selbst davor gewarnt hat. Bei dieser Aufnahme beeindrucken Orchester und Chor (Europa/ChorAkademie, Einstudierung Joshard Daus) durch die Spannbreite der Nuancen von innigem Vertrauen bis zu grauenvollem Schrecken. Scharfe Kontraste und gewaltige Steigerungen, flächige Wirkungen und verhaltene, stockende Spannungspassagen werden eingebunden in ein genuin oratorisches Idiom, wobei sich die stufenreiche Dynamik und Artikulation des Chors und die plastisch individuelle Klangkunst des Orchesters von den Solobläsern bis zur immer wieder bedrohlich hervortretenden Großen Trommel gut ergänzen.
In diesen vom Dirigenten klar geprägten Kontext fügen sich die Gesangssolisten (Anna Maria Martinez/Sopran, Yvonne Naef/Mezzosopran, Marius Brenciu/Tenor, Giorgio Surian/Bass) nicht immer organisch ein, sodass gelegentlich ein zu deutlicher Gegensatz zwischen endzeitlicher Mystik und bühnenhafter Diesseitigkeit entsteht. Hiervon ist lediglich der Sänger der Tenorpartie weitgehend auszunehmen. Andererseits gelingt den Solisten, deren Anteil an Verdis Komposition ja besonders groß ist, in den Ensemblepartien zumeist eine geschlossene, aufeinander abgestimmte Darstellung. Und an manchen Stellen beeindruckt auch hier die Konzentration auf die Dramatik apokalyptischer Visionen.
Die Einführung im Booklet ist gedankenreich und informativ. Dass der Text des Requiems allerdings nur auf lateinisch abgedruckt ist, wird viele Hörer enttäuschen. Denn man kann wohl kaum davon ausgehen, dass jeder musikalisch Interessierte mit dessen Inhalt vertraut ist.
Peter Schnaus


