Vaughan Williams, Ralph / James MacMillan

Silence and Music

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler SACD 93.250
erschienen in: das Orchester 10/2009 , Seite 70

Das SWR Vokalensemble Stuttgart zählt in der Verfassung der vorliegenden Einspielungen unbedingt zu den besten Chören. Es singt klangschön, tonvoll, mit absoluter Reinheit und Sicherheit sowie mit stupend-präziser Artikulation, die aber völlig unverkrampft wirken und nichts Gedrilltes oder mühsam Angelerntes kennen. Man staunt – und bewundert die hervorragende Arbeit, die Marcus Creed offensichtlich geleistet hat!
Er interpretiert hier ein rein britisches Programm mit zwei Komponisten, die hierzulande leider immer noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden haben, die sie verdienen. Ralph Vaughan Williams (1872-1958) zählt gewiss zu den bedeutendsten englischen Komponisten, dessen Rang und Ruhm wohl nur von Komponisten wie Walton, Tippett oder Britten aus den nachfolgenden Generationen etwas überschattet wurde. Seine Messe (1920/21) ist das beeindruckende Werk eines Meisters, der vor allem sangbare, gut klingende Musik schreiben will, die nicht unbedingt auch „fortschrittlich“ oder neu im nachdrücklichen Sinne sein will. Vielmehr will diese Musik den Qualitäten „alter“ Vokalmusik seit der Renaissance standhalten – und das gelingt ihr durchaus mit einem unverkennbar persönlichen musikalischen Tonfall.
Der schottische Komponist James MacMillan (geb. 1959), der zu den erfolgreichsten Komponisten seiner Generation zählt, mag mit den beiden hier eingespielten Chören ähnliche Ziele verfolgen, doch schließt er unmittelbarer und zugleich moderner an „alte“ Musik an. In O bone Jesu bezieht er sich in der Formgestaltung direkt auf eine 19-stimmige Motette über denselben Text des schottischen Komponisten Robert Carver (ca. 1484-1567), und in Màiri, einer vom Komponisten aus dem Schottisch-Gälischen ins Englische übersetzten Klage eines Mannes, den seine Freundin verlassen hat, scheut er sich nicht, Verfahren anzuwenden, die mit den notorischen „Madrigalismen“ in italienischer Renaissancemusik verglichen werden können oder sogar der frühbarocken „Figurenlehre“ zu entstammen scheinen. Diese Musik besitzt wohl die Aura „alter“ Musik, ohne doch nun selbst „alt“ oder „historisch“ zu wirken. Beide Komponisten schreiben denn auch ihre Musik keinesfalls im „alten“ Stil, als dass sie vielmehr mit dem „alten“ Stil zu einer Vokalmusik finden, die stets auch zeitgemäß wirkt und ihren jeweiligen Personalstil erkennen lässt.
Dieser Eindruck wird vor allem auch durch die Interpretation vermittelt, die sich mit feinster Differenzierung vor allem auf harmonisch-dynamische Wirkungen konzentriert, wie sie eben nur die Chormusik vermitteln kann. Das ist eine grandiose Werbung für Chormusik, die sich in solcher Darbietung doch wohl als die zugleich anrührendste und edelste Form des Musikmachens erweist.
Giselher Schubert
 

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