Balkan Rhapsody

Ulrich Herkenhoff: Postkarten einer Rumänienreise / Béla Bartók: 7 rumänische Volkstänze / Parachkev Hadjiev: 12 bulgarische Volkslieder / Matthias Keller: Balkania

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Oehms OC 603
erschienen in: das Orchester 11/2005 , Seite 97

Als Begleitmusik zum Sonntagskaffee, als Soundtrack zur ersten Filmliebe am warmen Seeufer, vor allem aber als treibende Kraft für folkloregeübte Tanzbeine eignen sich die hier unter dem Fantasietitel Balkan Rhapsody versammelten Arrangements rumänischer, bulgarischer und albanischer Tänze vorzüglich. Da können die Taktarten noch so ungerade sein, die Rhythmen nordeuropäischen Ohren verdreht und verkantet erscheinen: Ulrich Herkenhoff, Paganini und Nijinsky des Panflötenspiels in einem, zieht sie wie Seifenblasen aus seiner „Bambusorgel“.
Von der Sehnsucht des Flurgottes, dem die Nymphe entwischte, indem sie sich in ein Schilfrohr verwandelte, woraus sich Pan eine Flöte schnitt, um sie weltschmerzlich zu bespielen (Ernst Bloch sprach vom „Ruf ins Entbehrte“) – von dieser mythischen Liebesgeschichte erzählt Herkenhoffs Balkan-Rhapsodie weniger. Das tat schon Claude Debussy in seinem Flötenstück Syrinx unübertrefflich. Was Herkenhoff und seinen Mitstreiter Matthias Keller bewegt, ist der tänzerische Furor der Balkanhalbinsel, sind die so vielgestaltigen Landschaften des Volkstanzes in Albanien, Bulgarien und Rumänien.
Eines ihrer Medien ist die Panflöte. In rumänischen Städten sesshaft gewordene Zigeuner entwickelten sie zum hochvirtuosen, tanzbegleitenden Soloinstrument. In mündlicher Überlieferung, versteht sich. Herkenhoff, besessen von der Magie ihres Klangs, hat sich dieses „natürlichen“ Instruments bemächtigt und einen Grad der Beherrschung erreicht, der rumänische Zigeunerkapellen das Fürchten lehren könnte. Tänze, die er in Transsilvanien und anderswo „aufschnappte“, verleibte er seinem Repertoire ein – verschnitten zu Postkarten einer Rumänienreise: fünf teils herzflimmernde, teils flotte Arrangements, die er den Improvisationskünsten rumänischer Volksmusikanten ablauschte.
Deren Entdeckung und Verbreitung ihres Repertoires ist dem schweizerischen Musikethnologen Marcel Cellier zu danken. Ihm widmen Herkenhoff und Keller ihre CD, die außerdem Bartóks 7 rumänische Volkstänze in Planflötenversion enthält, eine potpourriartige Fantasie Balkania des Komponisten Matthias Keller (über ein Wiegenlied, das Cellier in Albanien aufzeichnete) sowie zwölf Volkslieder und Tänze aus den über 2000 Arrangements, die der bulgarische Komponist Parachkev Hadjiev im Laufe seines 80-jährigen Lebens (1912-92) schuf. Keller instrumentierte seine frühere Panflöte-Klavier-Fassung nun für das Münchner Rundfunkorchester, das den Panflötenkapriolen der Balkan Rhapsody die nötigen Sprungfedern verschafft.
Lutz Lesle

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