Auto & Technik Museen Sinsheim und Speyer e. V. / Hans-Jürgen Schlicht
Musikautomaten, Moden und Uniformen im Technik Museum Speyer / Musikautomaten im Auto & Technik Museum Sinsheim
mit CD
Geradezu ins Schwelgen kommen könnte man über die gute alte Zeit angesichts der beiden Sammlungen mechanischer Musikinstrumente in den Technik-Museen in Sinsheim und Speyer. Was dort an Orchestrions, Flötenuhren und Kirmesorgeln zusammengetragen wurde und liebevoll und engagiert in Schwung gehalten wird, entwirft ein sehr plastisches Bild der Zeit um 1900.
Wenn man sich damals Musik ins Haus holen und gleichzeitig auf das eigene Musizieren verzichten wollte, dann mussten es schon größere Möbelstücke sein. Die waren dann vollgestopft mit der neuesten Präzisionsmechanik aus Leipzig oder dem deutschen Südwesten. Und außen herum bauten die Möbelschreiner neogothische Türmchen oder barockes Gesims. War dann das Schwungrad vermittels Gewichten oder später elektrisch in Gang gesetzt, spielte die etwas monströse Stereoanlage der Gründerzeit, was damals gerade en vogue war: Märsche, Walzer, Opernpotpourris und ab den Zwanzigern auch Charleston und Swing.
Aus allen Winkeln der Welt haben die Verantwortlichen der Technik-Museen in Sinsheim und Speyer Musikautomaten herbeigeschafft oft in bedauernswertem Zustand, viele Jahre außer Funktion, unvollständig und beschädigt. In viel Detail- und Fleißarbeit wurden die mechanischen Teile in Stand gesetzt und ergänzt, Pfeifen rekonstruiert, Saiten gespannt und viel Holz aufgearbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen: In einem schön fotografierten, großformatigen Bildband, dem eine sauber aufgenommene CD mit mehreren Dutzend Musikbeispielen beigefügt ist, darf man die beiden Instrumentensammlungen in Speyer und Sinsheim bewundern, die noch dazu in historisch passenden Räumen und ergänzt durch zeitgenössische Kleidung präsentiert werden.
Zu den durchgehend farbigen Abbildungen gehören Abdrucke historischer Dokumente ebenso wie die Beschreibung technischer Details, der Funktionsweise der mechanischen Musikinstrumente und ihrer Wirkungsgeschichte. So manche große Reise hatte dabei das eine oder andere Stück hinter sich, bevor es in Sinsheim und Speyer eine adäquate Heimat fand. Hier stehen jetzt neobarocke Flötenuhren neben Art-Deco-Orchestrions, selbst spielende Geigen in Renaissanceschränken neben walzenbetriebenen Klavieren. Und sogar eine riesige Welte- sowie mehrere Kino-, Kaffeehaus- und Tanzorgeln sind zu bestaunen. Ganz besonders stolz sind die Museumsverantwortlichen aber auf ihre ausführlich gewürdigte Sammlung von Hunderten von Musikrollen, die einen historisch detaillierten Einblick in den damaligen musikalischen Zeitgeist erlauben.
Sicher ersetzt der vorliegende Band nicht den Museumsbesuch, bei dem es wohlgemerkt auch noch eine Menge Autos und Flugzeuge zu bestaunen gibt; doch bei dem geradezu bescheidenen Preis lohnt sich das Zugreifen hat man neben dem Sammlungskatalog doch auch noch viele Musikbeispiele auf CD greifbar, die trotz zahlreicher Vorführungen während der Öffnungszeiten so geballt in Sinsheim oder Speyer ganz bestimmt nicht zu erleben sind.
Daniel Knödler