Jean-Baptiste Lully

Isis

Les Talens Lyrique, Ltg. Christophe Rousset

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Aparte
erschienen in: das Orchester 04/2020 , Seite 69

Nachdem längst alle Händel-Opern auf Tonträger – teilweise sogar mehrfach – vorliegen, es auch eine ganze Reihe von Bühnenwerken Vivaldis auf CD gibt, verwundert es nicht, dass bei der französischen Barockoper, namentlich bei den Werken Lullys und Rameaus, noch vorhandene Lücken zusehends geschlossen werden oder es immer öfter Alternativaufnahmen zu vorliegenden Ersteinspielungen gibt.
Die Tragédie en musique oder Tragédie lyrique des 17. und 18. Jahrhunderts ist ja auch ein lohnendes, weil sehr reizvolles und spezielles Repertoire, das sich deutlich von der italienischen Operntradition abhebt. Statt der Folge von Reziativen und virtuosen Arien gibt es hier viele Chöre, Tänze, leichte Gesänge der Personen niederen Standes und erhabene Deklamation der Protagonisten hohen Standes. Das sorgt für eine lebendige Mischung, die auch beim Hören auf CD charmant ist. Natürlich war – wie in der italienischen Oper – auch im Frankreich des Sonnenkönigs die Oper ein optisch sehr sinnliches Spektakel.
Die französische Barockoper ist verständlicherweise vor allem eine Sache der mittlerweile zahlreichen erstklassigen französischen Barockensembles. Zu diesen gehört Les Talens Lyrique unter Leitung des Cembalisten und Dirigenten Christophe Rousset. Er war schon als Cembalist an der legendären Atys-Aufnahme unter William Christie von 1987 dabei und hat mit seinem 1991 gegründeten Ensemble bereits eine ganze Reihe von Lully-Opern aufgenommen. In dieser Reihe ist nun eine Aufnahme von Lullys Isis auf das Libretto von Philippe Quinault erschienen. Das Werk, das 1677 uraufgeführt wurde, ist die fünfte gemeinsame Arbeit des aus Italien stammenden Musikers und des Textdichters, der ja wesentlich Gestalt und Dramaturgie der Tragédie en musique geprägt hatte. Die Oper nach einem Stoff aus Ovids Metamorphosen ist von großer musikalischer Kraft, Farbigkeit und Anmut.
Es ist die zweite Aufnahme des Werks – und sie bringt die Qualität der Musik aufs Schönste zur Wirkung. Die stilistische Kompetenz von Rousset ist untrüglich, der Ton vokal und instrumental absolut authentisch. Das ist schon bei den ersten Takten der Ouvertüre zu hören. Ganz exzellent, glasklar und deutlich in der Diktion singt der Chor, die Musiker spielen ebenso leichtfüßig wie brillant. Das Kultivierte und Maßvolle, das Zeitgenossen der fran­zösischen Barockmusik zusprachen, zeigt sich hier in einer erlesenen Kunst des Musizierens und einer natürlich frischen Ausdruckshaltung.
Exzellent agiert zudem das junge Solistenensemble, allen voran Ève-Maud Hubeaux als Io, die am Ende in die Göttin Isis verwandelt wird, Bénédicte Tauran als Juno und Fabien Hyon als Jupiter.
Die in Musik gesetzte Eifersuchtsgeschichte der Götter und Nymphen hatte übrigens seinerzeit am königlichen Hof unter zwei rivalisierenden Mätressen Ludwigs XIV. für gehörigen Unmut gesorgt, weil Madame de Montespan in der Titelrolle die neue Favoritin des Königs, Madame de Ludres, zu erkennen glaubte. Der damit verbundene Ärger sorgte für eine Unterbrechung in der Zusammenarbeit von Lully und Quinault.
Karl Georg Berg

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